Das folgende Schreiben wurde zwar per E-Mail an den
Vatikan übermittelt ohne wirklich eine Antwort darauf zu erhoffen. So hatte der
Brief seine vom Absender vorgesehene heitere Seite.
Mag. Anton Merli Senftenberg,
8. September 2013
Kirchenberg 8
3541 Senftenberg
Österreich
Sehr
geehrter lieber Papst Franziskus, gestatte mir, den
„Stellvertreter“ so anzusprechen, wie ich auch mit unserem Herrn rede. Es soll
aber mit Respekt geschehen.
Man sagte mir zwar, es sei verrückt, dem Papst
zu schreiben, doch manchmal ist auch das Verrückte wenigstens für den Absender
heilsam. Du musst mein Schreiben, das nur manches andeuten kann, wenn es dich
überhaupt erreicht, ja nicht beachten und kannst es entsorgen lassen.
Ich bin ein pensionierter Pfarrer in Österreich,
Diözese St. Pölten, Pfarre Senftenberg.
Mit meinen 81 Jahren helfe ich noch
gelegentlich in der Pastoral aus, bin aber schon ein „Auslaufmodell“.
Nun zu
meinen Anliegen.
Wir stehen vor der Tatsache, dass die Christen
in vielen Ländern verfolgt und vertrieben werden und dass, jedenfalls in
Europa, viele innerlich gegen ihre eigene Kirche eingestellt sind und diese zunehmend
verlassen. Ich denke, es ist eine grundlegende kirchliche Erneuerung notwendig,
die eine neue offensive Pastoral ermöglicht. Da nützen kleine kosmetische
Korrekturen nichts. Die Kirche muss als eine Institution erkennbar werden, die
von oben bis untern von Jesus Christus geprägt ist.
Zu
dieser notwendigen Erneuerung einige Gedanken:
Zuerst sollten neue theologische Aussagen über
Gott und sein Wirken in der Evolution erarbeitet werden. Die alten Bilder über
Gott in der Bibel, in den Gebeten und Kirchenliedern sind im Lichte der
Naturwissenschaft für den Glauben irritierend und gefährlich. Die Theologie und
die Verkündigung gehören von diesen irreführenden Aussagen entrümpelt. Es sind
Klarstellungen über Gottes Allgegenwart und sein Wirken erforderlich. Dem
heutigen Christen sind neue theologische Denkmöglichkeiten anzubieten. Dies
könnte in regelmäßigen kurzen „Papstbriefen“ und nicht in ellenlangen mit
Bibelzitaten und Vätertexten bestückten Enzykliken geschehen. Auch könnten
solche Briefe die christliche Sicht zu allen aktuellen Fragen wie Konsumismus,
Freiheit, Friedenssicherung, Umweltschutz, moralische Normen, Ausbeutung,
Waffenproduktion usw. laufend beleuchten. So könnte die christliche Lehre über
den liebenden Gott und über die wahre Freiheit, die Jesu Weg vermittelt, in der
Welt aufleuchten.
Es sollten auch noch andere kirchliche Erneuerungen
in Angriff genommen werden:
Zuerst Abschaffung von „Firlefanz“. Das
hochwürdige Gehabe von Bischöfen, die manchmal allwissend, fast aufgeblasen,
wie Halbgötter agieren, ist zu beenden (Ich meine keineswegs alle Bischöfe).
Zuerst gehören sämtliche Infeln abgeschafft. Sie erinnern an längst Überholtes
und sind letztlich Theater. Die goldenen oder auch edelsteinbestückten Ringe, die
goldenen Ketten und Brustkreuze sind ebenfalls zu beseitigen. Es könnten sich
einige Bischöfe freiwillig verpflichten, ein einfaches Leben zu führen.
Vielleicht wäre eine solche weltweite „Bischofsbruderschaft der Einfachheit“
ins Leben zu rufen als Vorbild für alle Bischofsmitbrüder.
Jedes Gold in den Kirchenräumen und
bischöflichen Palästen müsste verschwinden (ich meine nicht die
Blattvergoldung), besonders müsste das geraubte Gold aus den spanischen Kirchen
entfernt und den Armen zur Verfügung gestellt werden. Natürlich sollten dann
auch alle Priester nicht mehr „hochwürdig“ unterwegs sein.
Also ein erster Befreiungsschlag von
Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Prunk.
Als zweiten Befreiungsschlag könnte die
Erweiterung des Zuganges zum Priesteramt werden; keineswegs Abschaffung des
Zölibats, sondern zusätzlich Weihe von verheirateten Männern zu Priestern und
vorläufig auch von Frauen zu Diakonissinnen. Da viele Priester den Zölibat
nicht optimal leben, wäre eine Wahrhaftigkeit des Lebens in den Augen der
Menschen möglich und würde manches Gewissen entlasten. Es gäbe dann sicher auch
andere Risken und Verfehlungen, die man barmherzig in Kauf nehmen könnte.
Andererseits gehen auch wertvolle Menschen für
den priesterlichen Einsatz aus dem einen Grund verloren, weil sie heiraten
wollen oder verheiratet sind. Es entsprang einem unglaublichen Hochmut der
Kirchenführung vergangener Jahrhunderte, entgegen den Gepflogenheiten in der
Urkirche und ohne Autorisierung dazu durch Jesus, diese Gesetze einzuführen und
beizubehalten. Die Verknüpfung des Priesteramtes mit der Verpflichtung zum
Zölibat war vermutlich eine Fehlentwicklung. Man weitete die Lebensweise der
Mönche auf alle Priester aus. Die mit Rom unierten Kirchen habe dieses Gesetz
so nicht.
Andere Kriterien für die Zulassung zur Weihe
würden dann mehr in den Vordergrund rücken: Ungeheuchelte Frömmigkeit,
Aufrichtigkeit, Menschenfreundlichkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit,
Einsatzfreude, Bereitschaft, Neues zu wagen und sich stets weiterzubilden usw.
Es mögen diese und noch andere Eigenschaften theoretisch auch jetzt schon
gefordert werden, doch in erster Linie wird geweiht, wer verspricht zölibatär
zu leben und gehorsam zu sein. Wir brauchen verantwortungsbereite reife
Persönlichkeiten, die auch in anderen Berufen Spitzenkräfte sein könnten.
Der dritte Befreiungsschlag bestünde in der
Änderung der kirchlichen Ehegesetzgebung. Man könnte an die ostkirchliche
Praxis anschließen, wo sich die Geschiedenen barmherzig behandelt fühlen
können. Die Einstellung der Kirche zur Sexualität wäre in Verbiondung damit gleichfalls
zu überdenken. Wo sittliche Forderungen gestellt werden, müssten diese
hinreichend erklärt und solid begründet werden.
Der vierte Befreiungsschlag wäre die
Hinwendung zu allen Unterdrückten und Armen, besonders auch zu den Frauen.
Diese fühlen sich in der Kirche zum Teil mit Recht nicht als gleichwertig
anerkannt. Hand in Hand müsste damit gehen eine Bewegung zum einfachen Leben
und zu einer kirchlichen Armut. Glaubwürdig wird die Kirche, wenn Christen,
auch Bischöfe und Priester, diese Armut nicht nur predigen, sonder auch leben.
Mit dieser Führung eines einfachen Lebens wäre auch die Bewahrung der Schöpfung
zu verbinden. Alle Christen, auch der Papst und die Bischöfe, sollten die
Speerspitze einer religiösen „Grünbewegung“ werden.
Diese
Änderungen müssten gestützt werden von einer geistig-religiösen Erneuerung
durch eine Exerzitienbewegung, durch Glaubensschulungen für Priester und Laien,
also für alle Christen. Ohne eine solche weltweite Erneuerungsbewegung in der Katholischen
Kirche ist alles andere nur ein Herumdoktern und ein Tropfen auf dem heißen
Stein Dies sollte flächendeckend auf der ganzen Erde injiziert werden. Dazu
wäre vielleicht ein Heiliges Jahr angebracht.
Hochgeschätzter Bruder und Papst Franziskus, du
wärst als Wegweiser für diesen neuen Weg prädestiniert, da dir die Probleme
bekannt sind, du die Einfachheit lebst und Barmherzigkeit kennst.
Meine Überlegungen werden dir ja nicht neu
sein oder vielleicht einfältig vorkommen. Sie entspringen aber der Sorge um die
Menschen und um die Zukunft unserer Kirche in der Welt. Diese vorgelegten
Vorschläge sind Anliegen sehr vieler treuer Christen. Einer erneuerten Kirche
könnte sie sich wieder begeistert zuwenden.
Mit
respektvollem Gruß
dein
Mag. Anton Merli
Pfarrer i. R.
Tel.: 02732 30025
E-mail: merli@utanet.at,
Blog: merlipfad.blogspot.com