Sonntag, 17. August 2014



Das folgende Schreiben wurde zwar per E-Mail an den Vatikan übermittelt ohne wirklich eine Antwort darauf zu erhoffen. So hatte der Brief seine vom Absender vorgesehene heitere Seite.

Mag. Anton Merli                                                                 Senftenberg, 8. September 2013
Kirchenberg 8
3541 Senftenberg
Österreich

Sehr geehrter lieber Papst Franziskus, gestatte mir, den „Stellvertreter“ so anzusprechen, wie ich auch mit unserem Herrn rede. Es soll aber mit Respekt geschehen.

Man sagte mir zwar, es sei verrückt, dem Papst zu schreiben, doch manchmal ist auch das Verrückte wenigstens für den Absender heilsam. Du musst mein Schreiben, das nur manches andeuten kann, wenn es dich überhaupt erreicht, ja nicht beachten und kannst es entsorgen lassen.
Ich bin ein pensionierter Pfarrer in Österreich, Diözese St. Pölten, Pfarre Senftenberg.
Mit meinen 81 Jahren helfe ich noch gelegentlich in der Pastoral aus, bin aber schon ein „Auslaufmodell“.

Nun zu meinen Anliegen.

Wir stehen vor der Tatsache, dass die Christen in vielen Ländern verfolgt und vertrieben werden und dass, jedenfalls in Europa, viele innerlich gegen ihre eigene Kirche eingestellt sind und diese zunehmend verlassen. Ich denke, es ist eine grundlegende kirchliche Erneuerung notwendig, die eine neue offensive Pastoral ermöglicht. Da nützen kleine kosmetische Korrekturen nichts. Die Kirche muss als eine Institution erkennbar werden, die von oben bis untern von Jesus Christus geprägt ist.

Zu dieser notwendigen Erneuerung einige Gedanken:

Zuerst sollten neue theologische Aussagen über Gott und sein Wirken in der Evolution erarbeitet werden. Die alten Bilder über Gott in der Bibel, in den Gebeten und Kirchenliedern sind im Lichte der Naturwissenschaft für den Glauben irritierend und gefährlich. Die Theologie und die Verkündigung gehören von diesen irreführenden Aussagen entrümpelt. Es sind Klarstellungen über Gottes Allgegenwart und sein Wirken erforderlich. Dem heutigen Christen sind neue theologische Denkmöglichkeiten anzubieten. Dies könnte in regelmäßigen kurzen „Papstbriefen“ und nicht in ellenlangen mit Bibelzitaten und Vätertexten bestückten Enzykliken geschehen. Auch könnten solche Briefe die christliche Sicht zu allen aktuellen Fragen wie Konsumismus, Freiheit, Friedenssicherung, Umweltschutz, moralische Normen, Ausbeutung, Waffenproduktion usw. laufend beleuchten. So könnte die christliche Lehre über den liebenden Gott und über die wahre Freiheit, die Jesu Weg vermittelt, in der Welt aufleuchten.

Es sollten auch noch andere kirchliche Erneuerungen in Angriff genommen werden:
Zuerst Abschaffung von „Firlefanz“. Das hochwürdige Gehabe von Bischöfen, die manchmal allwissend, fast aufgeblasen, wie Halbgötter agieren, ist zu beenden (Ich meine keineswegs alle Bischöfe). Zuerst gehören sämtliche Infeln abgeschafft. Sie erinnern an längst Überholtes und sind letztlich Theater. Die goldenen oder auch edelsteinbestückten Ringe, die goldenen Ketten und Brustkreuze sind ebenfalls zu beseitigen. Es könnten sich einige Bischöfe freiwillig verpflichten, ein einfaches Leben zu führen. Vielleicht wäre eine solche weltweite „Bischofsbruderschaft der Einfachheit“ ins Leben zu rufen als Vorbild für alle Bischofsmitbrüder.

Jedes Gold in den Kirchenräumen und bischöflichen Palästen müsste verschwinden (ich meine nicht die Blattvergoldung), besonders müsste das geraubte Gold aus den spanischen Kirchen entfernt und den Armen zur Verfügung gestellt werden. Natürlich sollten dann auch alle Priester nicht mehr „hochwürdig“ unterwegs sein.
Also ein erster Befreiungsschlag von Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Prunk.

Als zweiten Befreiungsschlag könnte die Erweiterung des Zuganges zum Priesteramt werden; keineswegs Abschaffung des Zölibats, sondern zusätzlich Weihe von verheirateten Männern zu Priestern und vorläufig auch von Frauen zu Diakonissinnen. Da viele Priester den Zölibat nicht optimal leben, wäre eine Wahrhaftigkeit des Lebens in den Augen der Menschen möglich und würde manches Gewissen entlasten. Es gäbe dann sicher auch andere Risken und Verfehlungen, die man barmherzig in Kauf nehmen könnte.
Andererseits gehen auch wertvolle Menschen für den priesterlichen Einsatz aus dem einen Grund verloren, weil sie heiraten wollen oder verheiratet sind. Es entsprang einem unglaublichen Hochmut der Kirchenführung vergangener Jahrhunderte, entgegen den Gepflogenheiten in der Urkirche und ohne Autorisierung dazu durch Jesus, diese Gesetze einzuführen und beizubehalten. Die Verknüpfung des Priesteramtes mit der Verpflichtung zum Zölibat war vermutlich eine Fehlentwicklung. Man weitete die Lebensweise der Mönche auf alle Priester aus. Die mit Rom unierten Kirchen habe dieses Gesetz so nicht.
Andere Kriterien für die Zulassung zur Weihe würden dann mehr in den Vordergrund rücken: Ungeheuchelte Frömmigkeit, Aufrichtigkeit, Menschenfreundlichkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit, Einsatzfreude, Bereitschaft, Neues zu wagen und sich stets weiterzubilden usw. Es mögen diese und noch andere Eigenschaften theoretisch auch jetzt schon gefordert werden, doch in erster Linie wird geweiht, wer verspricht zölibatär zu leben und gehorsam zu sein. Wir brauchen verantwortungsbereite reife Persönlichkeiten, die auch in anderen Berufen Spitzenkräfte sein könnten.

Der dritte Befreiungsschlag bestünde in der Änderung der kirchlichen Ehegesetzgebung. Man könnte an die ostkirchliche Praxis anschließen, wo sich die Geschiedenen barmherzig behandelt fühlen können. Die Einstellung der Kirche zur Sexualität wäre in Verbiondung damit gleichfalls zu überdenken. Wo sittliche Forderungen gestellt werden, müssten diese hinreichend erklärt und solid begründet werden.

Der vierte Befreiungsschlag wäre die Hinwendung zu allen Unterdrückten und Armen, besonders auch zu den Frauen. Diese fühlen sich in der Kirche zum Teil mit Recht nicht als gleichwertig anerkannt. Hand in Hand müsste damit gehen eine Bewegung zum einfachen Leben und zu einer kirchlichen Armut. Glaubwürdig wird die Kirche, wenn Christen, auch Bischöfe und Priester, diese Armut nicht nur predigen, sonder auch leben. Mit dieser Führung eines einfachen Lebens wäre auch die Bewahrung der Schöpfung zu verbinden. Alle Christen, auch der Papst und die Bischöfe, sollten die Speerspitze einer religiösen „Grünbewegung“ werden.

Diese Änderungen müssten gestützt werden von einer geistig-religiösen Erneuerung durch eine Exerzitienbewegung, durch Glaubensschulungen für Priester und Laien, also für alle Christen. Ohne eine solche weltweite Erneuerungsbewegung in der Katholischen Kirche ist alles andere nur ein Herumdoktern und ein Tropfen auf dem heißen Stein Dies sollte flächendeckend auf der ganzen Erde injiziert werden. Dazu wäre vielleicht ein Heiliges Jahr angebracht.

Hochgeschätzter Bruder und Papst Franziskus, du wärst als Wegweiser für diesen neuen Weg prädestiniert, da dir die Probleme bekannt sind, du die Einfachheit lebst und Barmherzigkeit kennst.
Meine Überlegungen werden dir ja nicht neu sein oder vielleicht einfältig vorkommen. Sie entspringen aber der Sorge um die Menschen und um die Zukunft unserer Kirche in der Welt. Diese vorgelegten Vorschläge sind Anliegen sehr vieler treuer Christen. Einer erneuerten Kirche könnte sie sich wieder begeistert zuwenden.
Mit respektvollem Gruß
dein

Mag. Anton Merli
Pfarrer i. R.

Tel.: 02732 30025
E-mail: merli@utanet.at,
Blog: merlipfad.blogspot.com