Montag, 27. Juni 2016



15. Sonntag im Jahreskreis

10. 7. 2016
Lk 10, 25-37
25 Da stand ein Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz? Was liest du dort?
27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.
28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben.
29 Der Gesetzeslehrer wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?
30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen.
31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.
32 Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter.
33 Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid,
34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
35 Am andern Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Was meinst du: Wer von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern überfallen wurde?
37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle genauso!
Gedanken zum Evangelium

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter enthält eine Grundlehre des christlichen Glaubens und ist eine der bedeutendsten Wegweisungen für die Christen.

„Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“
Diese Frage hatte nicht nur bei den frommen Juden zur Zeit Jesu höchste Aktualität, sondern ist für religiöse Menschen zu allen Zeiten von eminenter Bedeutung. Es geht um die über die Wechselfälle dieser Welt hinausgehende Zukunft des Menschen. Es geht um die Frage, wie man vor Gott richtig leben muss, um an den Verheißungen der Religion teilnehmen zu können. Es gibt keine brennendere Frage, obwohl wir mitten im täglichen Getriebe vielfach von ihr abgelenkt werden. Vordergründige Aufgaben stehen an. Familie, Beruf, politische Ereignisse nehmen unser Denken  gefangen. Dennoch wäre diese Frage nach dem letzten Ziel dringend zu stellen, will man den letzten Sinn des Lebens finden.
Christen sollten sich aus dem Zeitdruck täglicher Notwendigkeiten wenigstens gelegentlich befreien. Besinnungstage, Wanderwochen, Urlaub im Kloster, religiöse Fortbildungsveranstaltungen, Exerzitien oder einfach erholsame Sonntage bieten sich  dazu an.

„Was steht geschrieben?“
Jesus antwortet, wie es im Schüler-Lehrer-Verhältnis üblich war, mit einer Gegenfrage. So wird die Heilige Schrift zur Lehrmeisterin für den Fragenden.
Ohne den Blick auf die Lehren der Bibel können auch wir religiöse Fragen nur nebulos diskutieren. Antworten, die tragfähig sind, notwendige Erkenntnisse vermitteln und die Wahrheiten unseres Lebens aufzeigen, finden sich nur im Wort Gottes. Bibellesung, Hören der Predigten oder Bibelrunden sind Angebote, die Christen in einer Zeit weit verbreiteter Verunsicherungen und leerem Geschwätz über Glaubensfragen dringend benötigen, wollen sie sich nicht religiös verirren.

„Wer ist mein Nächster?“
Der Aufruf der Schrift zu Gottes- und Nächstenliebe provoziert eine neue Frage. Jesus beantwortet sie mit einer Gleichniserzählung.
Auch uns stellt sich die Frage, wem sollen wir beistehen? Gibt es nicht auch den Missbrauch der Wohltätigkeit? Den Angehörigen, den Mitbürgern oder den schuldlos ins Elend Geratenen will man ja helfen. Gibt es nicht auch die Überforderung angesichts des Elends, das selbstverschuldet oder von gewissenlosen Machthabern verursacht ist?

„Dann geh und handle genauso!“
Nachdem Jesus das Gleichnis von dem barmherzigen Mann aus Samarien erzählt hatte, erkennt der Frager und auch der Leser der Bibel heute, dass Liebe jedem gebührt, der in Not ist. Es zählen dabei nicht die Volkszugehörigkeit, nicht der Familienverband, nicht die religiöse Einstellung, es zählt allein der Mensch in Not. Somit wird die Antwort auf die Frage, wer denn mein Nächster sei, klar beantwortet.
Dazu kommt für uns alle die Aufforderung, die hilfsbereite Liebe jedem Mitmenschen zu gewähren, der uns in seiner Notlage nahe kommt. Wir können nicht die Übel der ganzen Welt beseitigen. Wir können dort eingreifen, wo uns die Not begegnet, sei es in der eigenen Umgebung oder aufgrund von Nachrichten über konkrete Not in diversen Katastrophenländern. Entscheidend ist auch nicht die Frage: Wird unsere Hilfe vielleicht missbraucht? Manche fragen so lange und immer wieder und kommen so nie zum Hilfseinsatz. Vielleicht braucht der wohltätige Christ die Barmherzigkeit mehr als der Hilfsbedürftige. Er wird durch die tätige Liebe selbst verwandelt und erfährt die innere Freude dessen, der nicht an seinem Besitz klebt und frei wird durch wohltätiges Tun.

Das wunderbare Gleichnis enthält auch eine Warnung an die „Gerechten“, die über ihrem Dienst am Altar und über ihren religiösen Verpflichtungen auf Mitgefühl und Barmherzigkeit vergessen. Die Liebe zu Gott ist nicht von der Liebe zu den Menschen zu trennen. (merli@utanet.at