Freitag, 16. Oktober 2009

Die Kirche

Heilige Kirche?

Immer wieder werden Verirrungen im Laufe der Jahrhunderte, gegenwärtige Missstände oder das Versagen von Verantwortlichen angeführt, um unsere Kirche anzugreifen und sie zu verunglimpfen. Manchmal werden aktuelle „Skandale“ zum Anlass genommen, die Kirche zu verlassen.
Man übersieht dabei, was einem ein Leben lang an guter Wegweisung, an frohen Festen, an Hoffnung und Trost oder auch an innerer Kraft geschenkt worden ist und dass auch am Lebensende diese Kirche jeden auf seinem Weg zu Gott betend begleitet.
Der folgende Artikel des bekannten Pfarrers Wilhelm Müller sei Anregung, über die Kirche, ihre Schwächen, aber auch ihre Vorzüge nachzudenken:

„Wer seinen Hund liebt, muss nicht auch seine Flöhe lieben“, meinte ein deutscher Politiker, als er auf Skandale in seiner Partei angesprochen wurde.

Wer die Kirche liebt, muss nicht auch ihre Skandale, Dummheiten, Unmenschlichkeiten lieben. „Schau nicht auf unsre Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche“, beten wir. Empfindet der eine die Reformlangsamkeit der Kirche als Sünde wider den Heiligen Geist, rechnet der andere ihre Reformwilligkeit zu diesen Sünden. Hält es der eine für eine himmelschreiende Sünde, den Frauen das Weihesakrament zu verweigern, empfindet der andere das Reden vom gemeinsamen Priestertum als unerträglich, weil es seiner Meinung nach dem besonderen Priestertum den Boden unter den Füßen wegzieht.

Wen diese Flöhe jucken und beißen, der soll auf den Glauben der Kirche schauen - auf die Treue der Christen in den Gefängnissen Chinas, auf das Ausharren der Christen im islamistischen Terror, auf das glaubwürdige Zeugnis der Männer und Frauen Südamerikas in der gnadenlosen Auseinandersetzung mit den Sekten, auf das Leben der vielen, die sich um Behinderte, Kranke, Sterbende kümmern, Gestrauchelten wieder einen Anfang ermöglichen, ohne großes Aufsehen davon zu machen.

Die Kirche plagen viele Flöhe. Aber „wer seinen Hund liebt, muss nicht auch seine Flöhe lieben“. Die Kirche ist nicht der Straßenköter der Geschichte. Sie ist das Volk Gottes. Sie ist der Leib Christi.

(Leit-Gedanken von Wilhelm Müller in „Miteinander“ 11/12 2005)

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Austreten - auftreten - eintreten

Manche meinen für einen Austritt aus ihrer Kirche hinreichende Gründe zu haben:
Veraltete Morallehre der Kirche, unsympathische Amtsinhaber, die Höhe des Kirchenbeitrages, Ärger in der Pfarrgemeinde, Scheinheiligkeit und Heuchelei „frommer Christen“, Streitigkeiten in der Kirche usw.
Es gibt auch selbstgemachte Ursachen für einen Austritt:
Vernachlässigung des Glaubens, fehlende religiöse Praxis, Unwissenheit in Glaubensfragen, Bequemlichkeit, ungezügelter Lebensgenuss, reine Diesseitigkeit usw.
Solche und ähnliche Gründe können einen Austritt bewirken und scheinen ihn zu rechtfertigen.

Es gibt aber gravierende Gründe, auch bei Schwierigkeiten in der Kirchengemeinschaft zu bleiben, zu leben und mitzuarbeiten:

· Die Kirche ist die Gemeinschaft, in der Gott bei den Menschen ist, um sie zur Vollendung zu führen.
· In der Kirche erlebt der Mensch Feste der Freude und der inneren Erneuerung.
· Die Kirche schenkt durch ihre Feiertage arbeitsfreie Tage zur Freude und zur Erholung, die wir selbstverständlich genießen.
· Die Sakramente der Kirche bedeuten Lebensgemeinschaft mit Gott, ohne die wir entwurzelt sind.
· Es gibt in der Kirche Wegweisungen zu einem sinnvollen Leben jetzt und über den Tod hinaus.
· Die Kirche vermittelt Heilung des inneren Menschen und ermöglicht damit Befreiung von den Lasten der Seele und Erneuerung.
· In der Kirche gibt es somit Hoffnung auch in scheinbar aussichtslosen Situationen.
· Im Leben mit der Kirche wird des Menschen endgültige Reife und Vollendung aufgebaut.
· Die Kirche betet täglich weltweit für alle ihre Mitglieder.
· Damit verbunden gibt es in ihr häufig Liebe und Geborgenheit auch für scheinbar Verlorene.
· Die Kirche schenkt und bewahrt unschätzbare kulturelle Werte.
· Die Kirche lehrt schon den Kindern gute Lebenswege, stützt auch später Verirrte, stärkt die mit Kreuzen Beladenen, begleitet die Sterbenden und betet für die Toten.
· Die Kirche hält den Glauben an Gott und an eine gute Zukunft für alle wach. Dies bewirkt unzerstörbare Hoffnung und gibt dem Leben Sinn.
· In der Geschichte der Kirche finden sich nicht wenige leuchtende Beispiele der Selbstlosigkeit, der Hilfsbereitschaft und sogar des Einsatzes für andere bis in den Tod (Heilige).
· Jesus hat die Kirche für die Menschen entstehen lassen und lebt in ihr, um alle zu retten.

Es gibt also in unserer Kirche nicht nur die Schwächen, die in den Medien häufig groß herausgehoben werden. Es gibt auch heute Bischöfe, die sich trotz Todesdrohung für ihre unterdrückten Christen unerschrocken einsetzen; es gibt nicht nur die Verantwortungslosen, sondern auch die Ordensfrauen, die sich mit letzter Liebe den Kranken und Sterbenden widmen; es gibt nicht nur die Versager, sondern viele Priester, die unauffällig in täglicher Treue den Dienst an ihrer Gemeinde, an den Kindern, den Familien, den Alten und Kranken mit Hingabe leisten; es gibt nicht nur Rücksichtslose, sondern auch viele Christen, die ihren Mitmenschen in selbstloser Liebe beistehen. Soll das alles auf einmal nicht mehr gelten und vergessen sein? Zudem sind bei Missständen immer wieder innere Reinigungsprozess und einsetzende Erneuerungsbewegungen zu sehen.

Es gäbe neben den angeführten Gründen auch noch andere, die denkende Menschen bewegen können, trotz mancher Unvollkommenheit und Schwäche dennoch in ihrer Kirche zu bleiben, nicht auszutreten, sondern aufzutreten und mitzuarbeiten. Alle sind dabei willkommen.

Ausgetretene sind zum Wiedereintritt herzlich eingeladen. Dies kann ohne Aufsehen geschehen. Kontaktaufnahme: Pfarrer P. Sordyl: Tel. (02719) 2295,

Mail: pfarramt.senftenberg@aon.at,
Eventuell auch: Seniorpfarrer A. Merli: Tel. (02719) 30025 oder Mail: merli@utanet.at

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Es geht nicht um das Kopftuch

„Meinung zum Tag“ in „Die Presse“ vom 12. März 2005
von DDr. Paul Weiß (Der Autor ist Dozent für Pastoraltheologie in Innbruck)

Wenn muslimische Frauen freiwillig ein Kopftuch tragen, kann dies ein Ausdruck ihres Selbstverständnisses sein oder ein Bekenntnis zu ihrer Glaubensgemeinschaft, das als solches in einer Gesellschaft, die nicht die Religionslosigkeit zur verpflichtenden Weltanschauung erklärt, möglich sein muss (wie die Ordenstracht von Klosterfrauen). Das darf kein Problem sein.
Dieses liegt viel tiefer: Die Glaubensgrundlage des Islam ist der Koran, der sich selbst als wörtliche Offenbarung Gottes versteht (Sure 2,97), wonach es in ihm keine Widersprüche geben kann und seine Anweisungen für gläubige Muslime und Musliminnen unbedingt zu befolgen sind. Zu diesen gehört, dass Juden und Christen zu bekämpfen sind, bis sie „Tribut entrichten als Erniedrigte“ (Sure 9,29), und dass die Polytheisten oder Ungläubigen
zu töten sind, falls sie sich nicht bekehren (Sure 2,191 und 9,5), obwohl die Bekehrung ohne
Zwang erfolgen soll. Nach dem Koran stehen die Frauen unten den Männern und sollen von diesen geschlagen werden, wenn sie sich auflehnen (Sure 4, 34).
Keine historische Auslegung
Mir ist schmerzlich bewusst, dass es auch im Christentum „heilige Kriege“ gegen Ungläubige gegeben hat. Aber das widerspricht dem Neuen Testament, der Glaubensgrundlage der Christen. Dort wird die Feindesliebe gefordert. Außerdem versteht sich das Neue Testament nicht als wörtliche Offenbarung Gottes, sondern als Bericht von menschlichen Glaubenszeugen. Erst später haben die Kirchen die Heilige Schrift für wörtlich inspiriert erklärt, dies aber auf Grund der Bibelkritik inzwischen aufgegeben. Daher können Christen zeitbedingte Aussagen der Bibel als überholt ansehen.
Das wahre Problem ist also, ob sich muslimische Lehrerinnen und Lehrer, aber auch alle Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens von jenen Anweisungen distanzieren können und wollen, obwohl eine historisch-kritische Auslegung des Korans noch als Glaubensabfall gilt. Sie würden sich dann auch für die Anerkennung aller Menschenrechte in den islamischen Ländern einsetzen. Andernfalls ist zu befürchten, dass sie die Verfassung ändern werden, sobald sie die nötige Mehrheit haben.
Ein kritischer Islam könnte gemeinsam mit einem kritischen Christentum dafür einstehen,
dass die Menschenrechte nur auf der Basis der Anerkennung einer vorgegebenen Menschenwürde sowie den entsprechenden Menschenpflichten bestehen können.

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Adam, wo bist du?


(Anregungen aus einer Predigt zur Fastenzeit 2009 von Propst Maximilian Fürnsinn)


Dieser Ruf donnert über den Paradiesgarten hin. Der gleichnishafte Urbericht steht am Anfang der Menschheitsgeschichte und der menschlichen Verirrungen. Er hallt über die Jahrtausende hinweg fragend, fordernd und auf Antwort wartend an das Ohr des Menschen, der sich vor Gott versteckt, weil er schuldig geworden ist oder überhaupt auf Gott und seine Wegweisung vergessen hat.
„Adam, wo bist du?“ steht auch am Anfang eines neuen Kirchenjahres.
Wohin hat sich der Mensch verirrt? Weshalb hat er sich versteckt? Warum flieht er vor Gott heute?
Er hat sich verirrt im Gestrüpp seiner Sünden.
Er glaubte dem „Lügner von Anbeginn“, der ihn umschmeichelte: „Keineswegs wirst du sterben, vielmehr wirst du sein wie Gott.“ So wurde der moderne Mensch zum Leugner von Sünde und Schuld. Vielleicht dämmert ihm, dass er nur eine Karikatur Gottes darstellt, wenn er sich selbst zum Gott macht, und er erkennt, dass er nackt ist.
Er hat sich verirrt in der Spaßgesellschaft.
Gierig griff er nach den Früchten, die verführerisch lockten, um alles auszukosten, was es an Angeboten gibt. Dabei hat er seinen Gott vergessen oder nur mehr an den Rand seines Lebens gerückt. Dessen Gegenwart kümmerte ihn nicht mehr. Er wähnte Gott in weiter Ferne, bis der Ruf ertönte: „Adam, wo bist du?“
Der heutige Mensch hat sich in glaubenslose Diesseitigkeit verirrt.
Eine Gesellschaft, in der man lebt, als gäbe es Gott nicht, lässt den Glauben an Gott schwinden. Wo der Mensch zum Maßstab der Moral wird, wo Gesetzte sich nicht mehr an Gott, sondern an der Mehrheit der Menschen ohne Gott orientieren, in einer solchen Gesellschaft scheint Gott nicht mehr zu existieren.
Da ist es wieder notwendig, das Christen besonders zu den „heiligen Zeiten“ den Ruf Gottes vernehmen: „Adam, wo bist du?“ und heraustreten aus ihren Verstecken und Gott Rede und Antwort stehen, über ihr Leben, ihre Irrwege, ihre Sünden. Es ist erforderlich, vor Gott hinzutreten, umzukehren und in Reue und Buße sein Leben neu zu orientieren. Der Christ weiß, dass er dies mit Jesus, der Sünde und Tod besiegt hat, vermag.