Montag, 22. Oktober 2012


Allerheiligen

Mt 5, 1-12a
1Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2Dann begann er zu reden und lehrte sie.
3Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
4Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
5Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
6Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.
7Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
8Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
9Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
10Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.
11Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
12Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.

Gedanken zum Evangelium

Wenn die Rede auf das Heiligwerden kommt, hört man gelegentlich: Um Gottes Willen, nein! Als Heiliger will man nicht gelten. Da käme man sich komisch vor. Doch können wir am Fest der Heiligen fragen: Was sind die Alternativen? Die Antwort aus der Heiligen Schrift lautet: Es ist der Wille Gottes: eure Heiligung.

Dieses Fest rückt unser Lebensziel ins Blickfeld.
Die Frage des alten Katechismus ist noch immer aktuell: Wozu hat uns Gott erschaffen? Neben den diesseitigen Zielen stehen dort das Ziel und der Weg zu diesem Ziel zusammengefasst: Wir sollen Gott erkennen, ihn lieben, ihm dienen, um so das ewige Leben zu gewinnen, das heißt, um heilig zu werden.

Heiligkeit bedeutet, vom Geiste Gottes schon in dieser Welt ergriffen zu sein, durch diese über unsere Natur hinausgehende Lebensverbindung Heilung zu erfahren und einst das letzte Heil, die Fülle des Lebens in der Gottesgemeinschaft beglückend zu erleben.

Unser Ziel liegt bei Gott.
Wer den Weg dorthin gehen will, lebt nicht ohne Gott, sondern pflegt seine Beziehung zu Jesus Christus und zu seiner Heilsgemeinschaft. Dies gelingt manchmal schlecht und mangelhaft, dann wieder besser und intensiver. Ein grundsätzliches Ja zu Gott kann aber alle Irrwege korrigieren, und so wird das ganze Leben, Denken und Handeln von Gottes Heiligkeit durchstrahlt. Deshalb werden wir mit Recht Heilige genannt, auch wenn uns noch viele Unvollkommenheiten anhaften.

Wie schaut ein solches Leben der Heilwerdung oder der vorläufigen Heiligkeit aus? In den Seligpreisungen des heutigen Evangeliums stehen nicht die Gebote im Vordergrund, sondern Lobpreisungen auf Lebenshaltungen, die Christen auf ihrem Weg zu Gott lernen und verwirklichen sollen.

Was wir gewöhnlich für erstrebenswert halten, wird in der Bergpredigt in Frage, ja auf den Kopf gestellt.
In unserer Gesellschaft gelten Reichtum, Sattsein, Ansehen, Durchsetzungsvermögen, Lustgewinn, Unabhängigkeit, Gesundheitspflege, Jugend, Schönheit und Ähnliches.
Jesus lobt nicht diese Werte, sondern preist Menschen selig, die im Gegensatz dazu stehen: Arme, Trauernde, Verfolgte, nicht, weil sie sich in einem glücklichen Zustand befänden, weil Armut, Trauer und Verfolgung an sich schon anstrebenswert wären, sondern deshalb, weil solche Menschen eher erkennen können, dass es nicht nur diese Welt und ihr Glück gibt, sondern des Menschen wirkliches Heil unabhängig ist von den vergänglichen und oft trügerischen diesseitigen Heilsangeboten.

Wir werden im heutigen Evangelium aufgerufen, unsere Lebenshaltungen zu überprüfen.
Wissen wir, dass uns nicht stolze Überheblichkeit, sondern Hilfsbedürftigkeit Gott näher bringt, dass die Fähigkeit zur Trauer über die eigenen Schwächen, über das Elend unserer Mitmenschen und die zerrüttete Welt zur Tiefe führt?
Haben wir begriffen, dass Rechthaberei und Durchsetzung eigener Wünsche mit Gewalt Beziehungen zerstören können, dass unser Zusammenleben auf Gerechtigkeit gegen jeden, ob arm oder reich, gegründet sein muss?
Sind auch wir der Auffassung, dass manche Wunden nur durch Vergebung geheilt werden können, dass der selbstbeherrschte Mensch wertvoller ist als der Unersättliche, dass der Friedfertige Gott nahe ist, der Streithansl aber keine Zukunft aufbaut?
Denken wir so, wie es uns die Worte Jesu ans Herz legen, dass man als Christ auch Nachteile, Verspottungen und hämische Bemerkungen ertragen kann, wenn es um Jesus Christus und um den Glauben an ihn geht, und dass all diese Grundhaltungen der Seligpreisungen zu innerer Freude und Ruhe des Gewissens führen?
Haben wir das alles bedacht und sind wir dabei, unser Leben nach diesen Grundsätzen der Bergpredigt auszurichten? Ist sie für uns ein Lebensprogramm, an dem wir arbeiten?

Fragen wir unser Gewissen und gehen wir den Weg, den uns Jesus weist, mutig und entschlossen.
Heilige Menschen sind nicht nur unsere Freunde und Fürsprecher, sie sind auch leuchtende Vorbilder für ein sinnvolles und zielorientiertes Leben. (merli@utanet.at

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Allerseelen

Joh 14, 1-6

1Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!
2Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?
3Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.
4Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.
5Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin die gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen?
6Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

Gedanken zum Fest

Am Nachmittag des Festes Allerheiligen werden zumeist schon Gottesdienste des Gedenkens für die Verstorbenen gefeiert.
Nach der „Totenmesse“ folgt häufig das Gebet für die Gefallenen und Opfer der Kriege mit den entsprechenden Klängen und der Kranzniederlegung; dann zieht man zum Friedhof, wo die blumengeschmückten Gräber gesegnet und die Abschlussgebete gesprochen werden.
An diesem Geschehen beteiligen sich auch Menschen, die sonst bei religiösen Feiern fehlen, weil auch sie es als eine selbstverständliche Pflicht erachten, die Vorfahren zu ehren. Es gehört einfach zu unserer Kultur, die Verstorbenen nicht einfach zu entsorgen und zu vergessen, sondern sich an sie dankbar zu erinnern und ihrer in Gebeten und Zeremonien zu gedenken.

Wir Christen betrachten das Fest Allerseelen aus gläubiger Tiefe.
Auch wir ehren in Dankbarkeit unsere Vorfahren und Verwandten, aber wir empfehlen sie auch im Gebet der Barmherzigkeit Gottes.
Da wir an die Zukunft des Menschen auch nach seinem Tod glauben, beten wir zu Gott, dass er sie heimführe in die Vollendung des Himmels. Wir tun das auch noch viele Jahre nach ihrem Hinscheiden, weil wir bedenken, dass ihnen die Liebe und das Gebet schon bei ihrem Sterben zum Heil geworden ist. Die Gebete für sie und das Gedenken bei der heiligen Messe vor oder nach ihrem Lebensende gehören ihnen sozusagen schon in ihrer Sterbestunde als Schatz, den sie „vor Gottes Angesicht“ mitbringen, da die zeitlichen Dimensionen und das Vorher oder Nachher in der neuen Existenz und bei Gott keine Bedeutung mehr haben.

Jedes Allerseelenfest gibt Anlass zu einer dreifachen Besinnung:

Zuerst ist das Fest ein Zeichen der Verbundenheit mit unseren verstorbenen Mitmenschen und des Dankes an sie.
Liebe soll und kann über den Tod hinaus bestehen. Gegenseitige Fürsorge im Gebet hier und dort kann unser Leben tröstend begleiten. Wir schenken ihnen unser Gebet und bitten um ihre Fürsprache.

Allerseelen ist eine Gelegenheit, missglücktes Zusammenleben mit Angehörigen durch bewusste Vergebung zu heilen, für alle uns zuteil gewordenen Wohltaten zu danken und alles Gute ihres Erdenlebens nachzuahmen.

Allerseelen erinnert uns aber auch heilsam an unsere eigene Vergänglichkeit in dieser Welt. An den Friedhofsmauern lesen wir häufig den Satz: „Was ihr seid, das waren wir - was wir sind, das werdet ihr.“
Es ist nützlich, einmal im Jahr daran zu denken, dass unser diesseitiges Streben und Plagen, aber auch unsere Sicherheit hier, einmal vorbei sein werden, dass wir jetzt nur Gast sind und unsere wahre Zukunft nach diesem Erdenleben bei Gott anbrechen wird. Darauf gilt es sich vorzubereiten.

So erstrahlt uns an diesem Fest Hoffnung und leuchtet Zukunft auf. Wir hören dankbar die Worte Jesu: „Ich werde euch zu mir holen, damit ihr dort seid, wo ich bin.“ Wir vernehmen aber auch die Wegweisung, ihm nachzufolgen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ Der Weg ohne Jesus führt in Unsicherheit und Finsternis, der Weg mit Jesus zu Licht und Leben. (merli@utanet.at)

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31. Sonntag im Jahreskreis
 4. 11. 2012

Mk 12, 28b-34
28Ein Schriftgelehrter ging zu ihm hin und fragte ihn: Welches Gebot ist das erste von allen?
29Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr.
30Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft.
31Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden.
32Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr, und es gibt keinen anderen außer ihm,
33und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer.
34Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, Jesus eine Frage zu stellen.

Gedanken zum Evangelium

Der Schriftgelehrte hörte, wie Jesus im vorhergehenden Streitgespräch treffend geantwortet hatte und fragt nun ohne Hinterlist nach dem größten Gebot. Dabei muss man bedenken, dass neben den Geboten Gottes viele Vorschriften existierten, die manche als ebenso wichtig erachteten wie die Gebote Gottes selbst oder sie sogar für das tägliche Leben der Juden besonders in den Vordergrund rückten.

Die Frage nach dem Wichtigsten in unserem religiösen Leben stellt sich auch heute.
Wird sie wirklich gestellt? Die Menschen fragen nach gesunden Nahrungsmitteln, nach preiswerten Waren, sie erkundigen sich nach Unterhaltungssendungen im Fernsehen, nach den Ereignissen in den Klatschspalten, sie reden von Katastrophenberichten und unterhalten sich lange über das Geschehen im Ort oder in der Umgebung. Die Leserbriefe über politische Vorgänge werden begierig gelesen oder die Ergebnisse der Sportveranstaltungen beklatscht oder kommentiert.
Aber befragen wir auch gelegentlich Gott oder seine Worte in der Bibel? Wie schaut es bei uns mit Gebet und Bibellesung aus? Beschäftigt uns das Problem, was eigentlich vor Gott im Hinblick auf unser Lebensziel das Wichtigste ist?
Wir Christen sind immer aufgerufen, uns an Gott und seinem Wort zu orientieren.

Bevor im Bibelbuch Deuteronomium, das hier zitiert wird, vom größten Gebot die Rede ist, wird das Glaubensbekenntnis der Juden zum einen und einzigen Gott angeführt, das viele täglich öfters beteten und das häufig an den Häusern oder auf den Gebetsriemen zu lesen war.

Wenn es um die Liebe zu Gott geht, sollten wir uns zuvor einige Gedanken über Gott machen, um dann besser zu verstehen, was Liebe zu Gott bedeuten kann.
Wir besitzen zu schwache Organe und begrenzte Geisteskräfte, um den unendlichen Gott begreifen zu können. Wir sind nicht fähig, Absolutes zu erfassen, weil unser Denken derzeit gänzlich an Raum und Zeit gebunden ist. Auch Vergleiche führen letztlich in die Irre.
Die Beispiele können unsere Lage nur begrenzt beleuchten: Kann ein von Geburt an Blinder die Schönheit eines Raffael-Gemäldes begreifen oder ein Tauber die Klänge der Zauberflöte genießen? Kann man seinem Haushund den pythagoreischen Lehrsatz erklären oder der Hauskatze die Kant’sche Philosophie nahe bringen? Ist ein Analphabet in der Lage, eine Vorlesung an der Universität zu halten? Schon in der geschaffenen Welt gibt es unüberwindliche Hindernisse und fehlende Voraussetzungen des Begreifens und der Einsicht.

Gott kann sich uns in unserem jetzigen Zustand nicht so, wie er ist, offenbaren.
Er kann sich nur bemerkbar machen in den Dingen, die uns zugänglich sind. Er kann uns nur in menschlichen Dimensionen begegnen. Er hat sich daher im Menschen Jesus von Nazaret geoffenbart. „Wer mich sieht, sieht den Vater.“
Wir haben aber eine übernatürliche Begabung, die uns dazu befähigt, Gott ein wenig, jedochr zunehmend, zu begreifen: den Glauben. Es ist das offenbar eine von Gottes Geist ausgehende Befähigung, die unsere diesseitigen Dimensionen sprengt.

Diesen Gott zu lieben mit allen Kräften des Geistes und der Seele, ist daher untrennbar verbunden mit dem Glauben an Jesus Christus. Dieser Glaube bedeutet, alles, was Jesus über Gott sagt, anzunehmen, die Wegweisung dieses Jesus zu beachten, seine Gemeinschaft zu suchen, ihm letztlich nachzufolgen.

Es geht also nicht um ein gemütsbewegtes Lieben, sondern um eine Ehrfurcht gegen Gott und gegen alles, was von Gott kommt und zu ihm führt. Sich darum immer neu zu bemühen, ist das Um und Auf religiösen  Lebens der Christen. (merli@utanet.at)