11. Sonntag
im Jahreskreis
16. 6. 29^3
Lk 7, 36 - 8, 3
In jener Zeit
36ging Jesus in das Haus eines Pharisäers, der ihn zum Essen eingeladen
hatte, und legte sich zu Tisch.
37Als nun eine Sünderin, die in der Stadt lebte, erfuhr, dass er im Haus
des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll
wohlriechendem Öl
38und trat von hinten an ihn heran. Dabei weinte sie, und ihre Tränen
fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und
salbte sie mit dem Öl.
39Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, dachte er: Wenn er
wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, von der
er sich berühren lässt; er wüsste, dass sie eine Sünderin ist.
40Da wandte sich Jesus an ihn und sagte: Simon, ich möchte dir etwas sagen.
Er erwiderte: Sprich, Meister!
41 (Jesus sagte:) Ein Geldverleiher hatte zwei Schuldner; der eine war ihm
fünfhundert Denare schuldig, der andere fünfzig.
42Als sie ihre Schulden nicht bezahlen konnten, erließ er sie beiden. Wer
von ihnen wird ihn nun mehr lieben?
43Simon antwortete: Ich nehme an, der, dem er mehr erlassen hat. Jesus
sagte zu ihm: Du hast Recht.
44Dann wandte er sich der Frau zu und sagte zu Simon: Siehst du diese Frau?
Als ich in dein Haus kam, hast du mir kein Wasser zum Waschen der Füße gegeben;
sie aber hat ihre Tränen über meinen Füßen vergossen und sie mit ihrem Haar
abgetrocknet.
45Du hast mir (zur Begrüßung) keinen Kuss gegeben; sie aber hat mir, seit
ich hier bin, unaufhörlich die Füße geküsst.
46Du hast mir nicht das Haar mit Öl gesalbt; sie aber hat mir mit ihrem
wohlriechenden Öl die Füße gesalbt.
47Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie (mir) so viel Liebe gezeigt hat. Wem aber nur
wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe.
48Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben.
49Da dachten die anderen Gäste: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?
50Er aber sagte zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden!
1In
der folgenden Zeit wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und
verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn,
2außerdem
einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte:
Maria Magdalene, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren,
3Johanna,
die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie
alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.
Gedanken zum
Evangelium
Es war üblich,
dass man zum Mahl einlud. Die Tischgemeinschaft war eine Männerrunde. Man lag
auf Teppichen und Polstern, stützte den Kopf auf den linken Arm und aß mit der
rechten Hand, was am Fußboden des Raumes serviert wurde. Der Einladende
erwartete philosophische oder theologische Gespräche. Bei der Einladung Jesu
geschah etwas Unerwartetes und Ungeheures.
Eine Frau mit
schlechtem Ruf betritt den Raum.
Sie kniet bei
den Füßen Jesu nieder, benetzt seine Füße mit ihren Tränen, gießt Parfum auf
sie und trocknet sie mit ihrem aufgelösten Haar. Das ganze ist eine sehr
ungehörige und erotische Szene. Jesus lässt es geschehen.
In der Nähe Jesu
bleiben althergebrachte Bräuche unberücksichtigt. Jesus meidet in der
Öffentlichkeit die Frauen nicht. Er ist sich auch nicht zu gut, um mit Sündern
Kontakt zu pflegen. Er achtet jeden Menschen und gibt auch dem Sünder eine
Chance.
Ein Beispiel,
das in der männerorientierten katholischen Kirche Beachtung finden könnte.
In unserer
Gemeinschaft ist derselbe Jesus gegenwärtig, der uns seine Gesinnungen als
Wegweisung anbietet. Heutige einschlägige Probleme und Anliegen zu diskutieren
und auch neue Wege zu wagen, sollten nicht verboten sein.
Jesu
Einstellung wird vom Gastgeber missbilligt.
Auch heute
erlauben sich „Gerechte“, Urteile über Sünder oder Sünderinnen zu fällen. Der
Klatsch verbreitet Fehlhaltungen der Mitmenschen; man kann sich doch so schön
über ihre Verirrungen entsetzen, wobei man sich selbst als gerecht erachtet.
Es drängt sich
die Frage auf: Sollten wir nicht mehr Barmherzigkeit lernen und auch denen in
Liebe Wege zur Umkehr ebnen, die schwach waren? Dies könnte in Ehe und Familie
ebenso geschehen wie im Pfarrleben, wo es immer auch Schwäche, Sünde und
Umkehrbereitschaft gibt.
„Deine Sünden
sind dir vergeben.“
Die
Voraussetzung für Bekehrung und Neubeginn sind Vertrauen zu Jesus Christus und
Reue über den eigenen Irrweg. In der heutigen Welt wollen viele unschuldig
sein. Sie leugnen lieber, Sünder zu sein als ihre Sünden einzubekennen, zu
bereuen und bei Jesus Heilung zu suchen.
Befreiung geht
immer nur über die Schiene von Einsicht, Reue und Liebe. Seine Sünden zu
leugnen und durch wohlklingende Erklärungen aus der Welt schaffen zu wollen,
bringt keine Befreiung und nimmt die Lasten nicht von der Seele. Unser Weg zur
Erneuerung unserer Herzen heißt auch heute Vertrauen, Umkehrbereitschaft und
liebender Kontakt zu Jesus.
„Dein Glaube
hat dir geholfen. Geh in Frieden!“
Viele suchen
Frieden fern von Gott. Alle Propheten der modernen Zeit verheißen Glück,
Frieden, neue Lebensqualität durch Selbstverwirklichung oder Erweiterung des
Bewusstseins. Gesundheitsapostel bieten Lebensfreude und ewige Jugend an.
Trotzdem schleichen viele angstvoll und verdrossen auf ihrem Lebensweg ohne
Orientierung dahin.
Wirklich frei
und damit froh kann aber nur sein, wer dort Zuneigung sucht, wo Gott
gegenwärtig ist und der dort Liebe erfährt, wo der Urgrund jeder Liebe wohnt.
Wer ohne Gott und fern von Jesus Heil sucht, lebt eine Zeitlang in einer
Scheinwelt des Wohlstandes und des Glücks, weiß aber doch in seinem Gewissen,
dass, glitzernde Verheißungen, wenn auch noch so selbstbewusst dargeboten, sein
Lebensglück nicht begründen können und immer wieder Enttäuschungen nach sich
ziehen.
Die im
heutigen Evangelium geschilderte Szene lehrt uns wieder Wahrheiten, die in
unserem täglichen Leben Geltung haben sollten. Der Sünder weiß sich angenommen,
der Pharisäer korrigiert, der Christ zur Nachfolge in der liebenden Hinwendung
und zur Barmherzigkeit aufgerufen. Wir alle, ob Sünder oder Gerechte, dürfen
Erbarmen und Heil von Jesus erwarten. (merli@utanet.at)