„Wir Moslems können nicht
gleichzeitig mit euch existieren"
Gastkommentar
Die Presse
vom 19. 11. 2012
Warum die Christenverfolgung
in der islamischen Welt zunimmt:
Wo die Scharia regiert, haben
Nichtmuslime alles Recht
verloren.
VON DETLEF KLEINERT
Auf dem Tahrir-Platz in Kairo
kündete ein Transparent
dieser Tage: ,,85 Millionen
wollen die Anwendung der Scha-
ria". Rund 10.000 Salafisten hatten
sich versammelt, um die strikte
Befolgung des Koran in der Verfas-
sung zu verlangen. Was dies in der
Praxis bedeutet, hat ein Terrorist
erläutert nachdem er mit Anderen
60 Katholiken im Irak ermordet
hatte: ,,Ihr Christen seid alle ,Kafa-
ra' (Ungläubige), wir können nicht
gleichzeitig mit euch existieren!"
So kommt es, dass weltweit
rund 100 Millionen Christen ver-
folgt, gedemütigt und - in letzter
Konsequenz - auch ermordet wer-
den. Vor allem in islamischen Län-
dern: Je strenger der Koran ausge-
legt wird, desto unbarmherziger ist
die systematische Vertreibung, der
mörderische Terror.
Nur einige Beispiele: In Indo-
nesien wurden in den vergange-
nen Jahren mehr als 1000 Kirchen
in Brand gesteckt; in Agypten wur-
den in den letzten 30 Jahren mehr
als 1800 Kopten aus religiösen
Gründen ermordet. Im Herbst
2011 riefen Imame in mehr als 20
oberägyptischen Moscheen zum
Sturm gegen Kirchen und zum
Mord an Christen auf - die Sicher-
heitskäfte zogen ab.
Religiöse
Hasspropaganda
Die religiöse Hasspropaganda
bleibt freilich nicht auf Moscheen
beschränkt: Über Tonband ist sie
am Basar, im Taxi und auch in Pri-
vathäusern allgegenwärtig. Die Is-
lamwissenschaftlerin Rita Breuer:
,,Antichristliche Propaganda muss
man in den meisten muslimisch
geprägten Ländern nicht mehr
hinter vorgehaltener Hand äußern,
sie ist salonfähig und gehört vieler-
orts geradezu zum guten Ton."
Daraus folgt laut Breuer:
,,Gleichberechtigung nicht musli-
mischer Bürger kann es in einem
explizit islamisch geprägten Staats-
wesen nicht geben." Denn wo die
Scharia regiert, haben Nichtmusli-
me alles Recht verloren: ,,Ein isla-
misch geprägtes Staatswesen ohne
religiöse Diskriminierung hat es
noch nie gegeben."
Rita Breuer, die als Entwick-
lungshelferin lange in islamischen
Ländern tätig gewesen ist, erklärt
den islamischen Christenhass
auch theologisch. Sure 4, Vers 171
sagt unzweideutig: ,,Jesu, der Sohn
der Maria, ist der Gesandte Al-
lahs." Der Religionsgründer der
Christen, Gottes Sohn, kann und
darf natürlich nicht göttlicher sein
als Mohammed, der ja ,,nur" ein
Mensch war. Der Glaube an Iesus
Christus stellt damit das gesamte
islamische Religionsgebäude in-
frage. Deshalb werden die ,,Göt-
zendiener" - so Sure 9, Vers 17 -
,,im Feuer ewig verweilen".
Religionsfreiheit,
nur theoretisch
Da ist nichts von jener Barmher-
zigkeit, die Mouhanad Khorchide
im Islam zu erkennen glaubt (,,Is-
lam ist Barmherzigkeit", Herder-
Verlag). Und wenn er meint, heu-
tige Moslems müssten den Koran
im historischen Kontext betrach-
ten, dann mag dies für gebildete
Moslems in westlichen Ländern
durchaus gelten. Dort aber, wo der
Islam als Staatsdoktrin gilt, herr-
schen andere Grundsätze.
Zum Beispiel in der Türkei, wo
es eine Religionsfreiheit allenfalls
theoretisch gibt. Rita Breuer: ,,In
der nominell laizistischen Türkei
ist eine geradezu hysterische Ver-
folgung christlicher Mission und
dessen, was man dafür hält, zu be-
obachten." 2007 wurden im osttür-
kischen Malatya zwei zum Chris-
tentum konvertierte Türken und
ein deutscher Prediger ,grausam
abgeschlachtet".
Kein Sonderfall, denn im isla-
mischen Scharia-Recht ist Aposta-
sie --also der Abfall vom islami-
schen Glauben - ein todeswürdi-
ges Verbrechen. In vielen islami-
schen Ländern droht Apostaten
auch heute noch die Todesstrafe,
anderswo rufen die ,,barmherzi-
gen" Vertreter des Glaubens zur
Lynchjustiz auf. Beispielsweise in
Ägypten, wo ,,viele Imame die
Gläubigen zur Tötung der Konver-
titen" aufrufen, so Breuer. ,,Wer ih-
rem Ruf folgt, hat keine Strafverfol-
gung zu befürchten."
Während aber in der westli-
chen Welt gerade die Kirchen To-
leranz predigen und einige Theo-
logen von einem ,,Dialog auf Au-
genhöhe" schwafeln, findet in der
islamischen Welt ein Klima der
Feindschaft immer mehr Anhän-
ger. Breuer: ,,Die Welle der Re-Isla-
misierung der islamischen Welt
und der erneuten Politisierung der
Religion gleicht einem schleichen-
den Gift für das interreligiöse kli
ma und wirkt sich erheblich zum
Nachteil der Christen aus."
Im innerislamischen Disput
haben sich nicht die Liberalen
durchgesetzt, sondern die radika-
len Islamisten. Keine Frage, dass
dies auch Auswirkungen auf die
verschiedenen Strömungen des Is-
lam in der westlichen Welt hat.
Scheindialog hilft
niemandem
Und nicht zu vergessen: Der hier-
zulande geführte Scheindialog hilft
den bedrohten Christen in der isla-
mischen Welt nicht, sie sind auf
eine klare Position der westlichen
Kirchen angewiesen. Deshalb er-
scheint es als Realitätsverweige-
rung, wenn Theologen - so in der
Katholischen Kirche in Wien - im-
mer wieder ein positives und idea-
lisiertes Bild des Islam zeichnen.
Eines Islam, der sich mit der
christlichen Werteordnung vertra-
ge - den ,,wahren Islam des Frie-
dens und der Freiheit, der Gleich-
berechtigung aller Menschen, der
Toleranz und des Pluralismus".
Nur, weiß Rita Breuer: ,,Diesen
angeblich wahren Islam gibt es
nicht." Im Gegenteil, die Hetze ge-
gen Christen nimmt zu, auch bei
uns, ,,Auch wenn die aktiv militan-
ten Muslime eine Minderheit sind,
ist die passive Akzeptanz der Ge-
walt sehr hoch." Ein Satz, der alle
zum Nachdenken über Migration
und Integration veranlassen sollte.
Zum Nachlesen: Rita Breuer, ,,Im
Namen Allahs? Christenverfolgung
im Islam", Herder-Verlag,
Detlef Kleinert begann
seine berufliche Laufbahn beim Bayerischen Fernsehen. Er war unter anderem
Südosteuropa-Korrespondent der ARD in Wien. Er ist Autor des Buchs „Wenn Tito
das wüsste: Von der kroatischen Küste bis zu den Bergen des Balkans“ (Herbig)
und lebt in der Nähe von Wien.