Allerheiligen
1. 11.
Mt 5, 1-12a
1Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte
sich, und seine Jünger traten zu ihm.
2Dann begann er zu reden und lehrte sie.
3Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das
Himmelreich.
4Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
5Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.
6Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden
satt werden.
7Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
8Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.
9Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.
10Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört
das Himmelreich.
11Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf
alle mögliche Weise verleumdet werdet.
12Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.
Gedanken zum Evangelium
Wenn die Rede auf das Heiligwerden kommt,
hört man gelegentlich: Um Gottes Willen, nein! Als Heiliger will man nicht
gelten. Da käme man sich komisch vor. Doch können wir am Fest der Heiligen
fragen: Was sind die Alternativen? Die Antwort aus der Heiligen Schrift lautet:
Es ist der Wille Gottes: eure Heiligung.
Dieses Fest rückt unser
Lebensziel ins Blickfeld.
Die Frage des alten Katechismus ist noch
immer aktuell: Wozu hat uns Gott erschaffen? Neben den diesseitigen Zielen
stehen dort das Ziel und der Weg zu diesem Ziel zusammengefasst: Wir sollen
Gott erkennen, ihn lieben, ihm dienen, um so das ewige Leben zu gewinnen, das
heißt, um heilig zu werden.
Heiligkeit bedeutet, vom
Geiste Gottes schon in dieser Welt ergriffen zu sein, durch diese über unsere
Natur hinausgehende Lebensverbindung Heilung zu erfahren und einst das letzte
Heil, die Fülle des Lebens in der Gottesgemeinschaft beglückend zu erleben.
Unser
Ziel liegt bei Gott.
Wer den Weg dorthin gehen will, lebt
nicht ohne Gott, sondern pflegt seine Beziehung zu Jesus Christus und zu seiner
Heilsgemeinschaft. Dies gelingt manchmal schlecht und mangelhaft, dann wieder
besser und intensiver. Ein grundsätzliches Ja zu Gott kann aber alle Irrwege
korrigieren, und so wird das ganze Leben, Denken und Handeln von Gottes
Heiligkeit durchstrahlt. Deshalb werden wir mit Recht Heilige genannt, auch
wenn uns noch viele Unvollkommenheiten anhaften.
Wie schaut ein solches Leben der
Heilwerdung oder der vorläufigen Heiligkeit aus? In den Seligpreisungen des
heutigen Evangeliums stehen nicht die Gebote im Vordergrund, sondern Lobpreisungen
auf Lebenshaltungen, die Christen auf ihrem Weg zu Gott lernen und
verwirklichen sollen.
Was wir gewöhnlich für
erstrebenswert halten, wird in der Bergpredigt in Frage, ja auf den Kopf
gestellt.
In unserer Gesellschaft gelten
Reichtum, Sattsein, Ansehen, Durchsetzungsvermögen, Lustgewinn, Unabhängigkeit,
Gesundheitspflege, Jugend, Schönheit und Ähnliches.
Jesus lobt nicht diese Werte,
sondern preist Menschen selig, die im Gegensatz dazu stehen: Arme, Trauernde,
Verfolgte, nicht, weil sie sich in einem glücklichen Zustand befänden, weil
Armut, Trauer und Verfolgung an sich schon anstrebenswert wären, sondern
deshalb, weil solche Menschen eher erkennen können, dass es nicht nur diese
Welt und ihr Glück gibt, sondern des Menschen wirkliches Heil unabhängig ist
von den vergänglichen und oft trügerischen diesseitigen Heilsangeboten.
Wir werden im heutigen
Evangelium aufgerufen, unsere Lebenshaltungen zu überprüfen.
Wissen wir, dass uns nicht stolze
Überheblichkeit, sondern Hilfsbedürftigkeit Gott näher bringt, dass die
Fähigkeit zur Trauer über die eigenen Schwächen, über das Elend unserer
Mitmenschen und die zerrüttete Welt zur Tiefe führt?
Haben wir begriffen, dass
Rechthaberei und Durchsetzung eigener Wünsche mit Gewalt Beziehungen zerstören
können, dass unser Zusammenleben auf Gerechtigkeit gegen jeden, ob arm oder
reich, gegründet sein muss?
Sind auch wir der Auffassung,
dass manche Wunden nur durch Vergebung geheilt werden können, dass der
selbstbeherrschte Mensch wertvoller ist als der Unersättliche, dass der
Friedfertige Gott nahe ist, der Streithansl aber keine beglückende Zukunft
aufbaut?
Denken wir so, wie es uns die
Worte Jesu ans Herz legen, dass man als Christ auch Nachteile, Verspottungen
und hämische Bemerkungen ertragen kann, wenn es um Jesus Christus und um den
Glauben an ihn geht, und dass all diese Grundhaltungen der Seligpreisungen zu
innerer Freude und Ruhe des Gewissens führen?
Haben wir das alles bedacht und
sind wir dabei, unser Leben nach diesen Grundsätzen der Bergpredigt
auszurichten? Ist sie für uns ein Lebensprogramm, an dem wir arbeiten?
Fragen wir unser Gewissen und
gehen wir den Weg, den uns Jesus weist, mutig und entschlossen.
Heilige Menschen sind nicht
nur unsere Freunde und Fürsprecher, sie sind auch Vorbilder für ein sinnvolles
und zielorientiertes Leben. (merli@utanet.at
*
Allerseelen
2. 11.
Joh 14, 1-6
1Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott, und glaubt an mich!
2Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre,
hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?
3Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme
ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.
4Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr.
5Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin die gehst. Wie sollen
wir dann den Weg kennen?
6Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;
niemand kommt zum Vater außer durch mich.
Gedanken zum Fest
Am Nachmittag des Festes Allerheiligen werden zumeist
schon Gottesdienste des Gedenkens für die Verstorbenen gefeiert.
Nach der „Totenmesse“ folgt häufig das Gebet für die Gefallenen und Opfer
der Kriege mit den entsprechenden Klängen und der Kranzniederlegung; dann zieht
man zum Friedhof, wo die blumengeschmückten Gräber gesegnet und die
Abschlussgebete gesprochen werden.
An diesem Geschehen beteiligen sich auch Menschen, die sonst bei religiösen
Feiern fehlen, weil auch sie es als eine selbstverständliche Pflicht erachten,
die Vorfahren zu ehren. Es gehört einfach zu unserer Kultur, die Verstorbenen
nicht einfach zu entsorgen und zu vergessen, sondern sich an sie dankbar zu
erinnern und ihrer in Gebeten und Zeremonien zu gedenken.
Wir Christen betrachten das Fest Allerseelen aus gläubiger
Tiefe.
Auch wir ehren in Dankbarkeit unsere Vorfahren und Verwandten, aber wir
empfehlen sie auch im Gebet der Barmherzigkeit Gottes.
Da wir an die Zukunft des Menschen auch nach seinem Tod glauben, beten wir
zu Gott, dass er sie heimführe in die Vollendung des Himmels. Wir tun das auch
noch viele Jahre nach ihrem Hinscheiden, weil wir bedenken, dass ihnen die
Liebe und das Gebet schon bei ihrem Sterben zum Heil geworden ist. Die Gebete
für sie und das Gedenken bei der heiligen Messe vor oder nach ihrem Lebensende
gehören ihnen sozusagen schon in ihrer Sterbestunde als Schatz, den sie „vor
Gottes Angesicht“ mitbringen, da die zeitlichen Dimensionen und das Vorher oder
Nachher in der neuen Existenz und bei Gott keine Bedeutung mehr haben.
Jedes Allerseelenfest gibt Anlass zu einer dreifachen
Besinnung:
Zuerst ist das Fest ein
Zeichen der Verbundenheit mit unseren verstorbenen Mitmenschen und des Dankes
an sie.
Liebe soll und kann über den Tod hinaus bestehen. Gegenseitige Fürsorge im
Gebet hier und dort kann unser Leben tröstend begleiten. Wir schenken ihnen
unser Gebet und bitten um ihre Fürsprache.
Allerseelen ist eine
Gelegenheit, missglücktes Zusammenleben mit Angehörigen durch bewusste
Vergebung zu heilen, für alle uns zuteil gewordenen Wohltaten zu danken und
alles Gute ihres Erdenlebens nachzuahmen.
Allerseelen erinnert uns
aber auch heilsam an unsere eigene Vergänglichkeit in dieser Welt. An den
Friedhofsmauern lesen wir häufig den Satz: „Was ihr seid, das waren wir - was
wir sind, das werdet ihr.“
Es ist nützlich, einmal im Jahr daran zu denken, dass unser diesseitiges
Streben und Plagen, aber auch unsere Sicherheit hier, einmal vorbei sein
werden, dass wir jetzt nur Gast sind und unsere wahre Zukunft nach diesem
Erdenleben bei Gott anbrechen wird. Darauf gilt es sich vorzubereiten.
So erstrahlt uns an
diesem Fest Hoffnung und leuchtet Zukunft auf. Wir hören dankbar die Worte
Jesu: „Ich werde euch zu mir holen, damit ihr dort seid, wo ich bin.“ Wir
vernehmen aber auch die Wegweisung, ihm nachzufolgen: „Ich bin der Weg und die
Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ Der Weg ohne
Jesus führt in Unsicherheit und Finsternis, der Weg mit Jesus zu Licht und
Leben. (merli@utanet.at)