32. Sonntag im Jahreskreis
8. 11. 2015
Mk 12, 38-44
37bEs war eine große Menschenmenge
versammelt und hörte ihm mit Freude zu.
38Er lehrte sie und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie
gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Straßen
und Plätzen grüßt,
39und sie wollen in der Synagoge die vordersten Sitze und bei jedem
Festmahl die Ehrenplätze haben.
40Sie bringen die Witwen um ihre Häuser und verrichten in ihrer
Scheinheiligkeit lange Gebete. Aber umso härter wird das Urteil sein, das sie
erwartet.
41Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute
Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel.
42Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein.
43Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme
Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern.
44Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben; diese Frau
aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie
besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.
Gedanken zum Evangelium
„Es war eine große
Menschenmenge versammelt und hörte ihm mit Freude zu.“
Bei Jesus zu sein, auf Jesu Worte zu
hören und über sie nachzudenken, kann Freude bringen.
Wir könnten fragen, warum laufen so viele
Menschen dort zusammen, wo rhythmische Musik, extravagante Aufführungen,
Sportereignisse wie Marathonlauf oder Fußballspiele stattfinden, aber bei
unseren religiösen Veranstaltungen, ausgenommen Papstbesuche oder große Feste,
kommen viele zögerlich, fast missmutig und nur pflichtgemäß. Liegt es an der
Art und Weise, wie wir Christen feiern oder an dem geringen Stellenwert, den
wir in einer gottfernen Gesellschaft unserer Beziehung zueinander und zu Gott
beimessen? Pfarrer, Pfarrgemeinderat und alle Pfarrangehörigen sind gefordert,
darüber nachzudenken.
„Nehmt
euch in Acht vor den Schriftgelehrten!“
Keineswegs will Jesus alle Rabbis seiner
Zeit in einen Topf werfen. Es gab angesehene und vorbildliche Schriftkundige
und Lehrer des Volkes. Es kamen aber auch Entartungen wie Geltungssucht,
unredliche Bereicherung und Heuchelei vor. Auch heute sind vor solchen Gefahren
weder die gewöhnlichen Christen noch die Amtsträger gefeit. Wir alle müssen
immer wieder genau und ernst auf die mahnenden Worte Jesu hören und unser Leben
überprüfen.
„Amen, ich sage euch: Diese
arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle anderen.“
Eine Witwe konnte bei den Juden nicht
über ihren Besitz verfügen. Sie befand sich in der Gefahr, in Armut zu geraten,
wenn es ihr nicht möglich war, in die elterliche Gemeinschaft zurückzukehren
oder eine neue Ehe einzugehen.
Jesus ruft die Jünger zu sich, weil er
ihnen etwas Wichtiges sagen wollte. Die Liebe zu Gott besteht nicht darin, dass
man halt auch aus dem Überfluss, noch dazu vor aller Augen, gerade so viel
hergibt, dass man es nicht spürt.
Die Witwe hat, wenn es sich auch nur um
die kleinste Münze handelte, alles, was sie hatte, für den Tempel, also für
Gott hergegeben. Die Armut wurde ihr nicht zur Falle, besonders geizig oder
ängstlich zu werden.
Wohltaten sollten auch bei uns mit freiem
Herzen aus Liebe zu Gott und zu den Menschen erwiesen werden. Wir denken an die
Worte: „Die Rechte soll nicht wissen, was die Linke tut.“
Die Bereitschaft zur Bekämpfung der
Armut, der Unterstützung von Projekten gegen Hunger und Krankheit bei uns oder
in fernen Ländern kann auch heute bei den Wohlhabenden schwächer ausgebildet
sein, als bei denen, die selbst wissen, was arm sein heißt.
Der Papst hat die Option der Christen für
die Armen propagiert. Wie steht es mit uns? Können wir großzügig sein oder hat
uns der Geiz am Kragen? Lassen wir uns durch die von allen einsehbare Spenderliste
widerwillig zu Großzügigkeit bewegen oder spenden wir im Verborgenen einfach
aus Mitgefühl und Liebe?
Besinnung und Orientierung an
Jesu Wort ist dringend erforderlich und tut uns Christen immer wieder gut. (merli@utanet.at)