15. Sonntag im Jahreskreis
14. 7. 2019
Lk 10, 25-37
25 Da stand ein
Gesetzeslehrer auf, und um Jesus auf die Probe zu stellen, fragte er ihn:
Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
26 Jesus sagte zu ihm:
Was steht im Gesetz? Was liest du dort?
27 Er antwortete: Du
sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit
all deiner Kraft und all deinen Gedanken, und: Deinen Nächsten sollst du lieben
wie dich selbst.
28 Jesus sagte zu ihm:
Du hast richtig geantwortet. Handle danach, und du wirst leben.
29 Der Gesetzeslehrer
wollte seine Frage rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster?
30 Darauf antwortete
ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern
überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg
und ließen ihn halb tot liegen.
31 Zufällig kam ein
Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter.
32 Auch ein Levit kam
zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter.
33 Dann kam ein Mann
aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid,
34 ging zu ihm hin,
goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein
Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn.
35 Am andern Morgen
holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und
wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Was meinst du: Wer
von diesen dreien hat sich als der Nächste dessen erwiesen, der von den Räubern
überfallen wurde?
37 Der Gesetzeslehrer
antwortete: Der, der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm:
Dann geh und handle genauso!
Gedanken zum Evangelium
Das Gleichnis vom barmherzigen
Samariter enthält eine Grundlehre des christlichen Glaubens und ist eine der
bedeutendsten Wegweisungen für die Christen.
„Meister, was muss ich tun, um
das ewige Leben zu gewinnen?“
Diese Frage hatte nicht nur bei
den frommen Juden zur Zeit Jesu höchste Aktualität, sondern ist für religiöse
Menschen zu allen Zeiten von eminenter Bedeutung. Es geht um die über die
Wechselfälle dieser Welt hinausgehende Zukunft des Menschen. Es geht um die
Frage, wie man vor Gott richtig leben muss, um an den Verheißungen der Religion
teilnehmen zu können. Es gibt keine brennendere Frage, obwohl wir mitten im
täglichen Getriebe vielfach von ihr abgelenkt werden. Vordergründige Aufgaben
stehen an. Familie, Beruf, politische Ereignisse nehmen unser Denken gefangen. Dennoch wäre diese Frage nach dem letzten
Ziel dringend zu stellen, will man den wahren Sinn des Lebens finden.
Christen sollten sich aus dem
Zeitdruck täglicher Notwendigkeiten wenigstens gelegentlich befreien.
Besinnungstage, Wanderwochen, Urlaub im Kloster, religiöse Fortbildungsveranstaltungen,
Exerzitien oder einfach erholsame Sonntage bieten sich dazu an.
„Was steht geschrieben?“
Jesus antwortet, wie es im
Schüler-Lehrer-Verhältnis üblich war, mit einer Gegenfrage. So wird die Heilige
Schrift zur Lehrmeisterin für den Fragenden.
Ohne den Blick auf die Lehren der
Bibel können auch wir religiöse Fragen nur nebulos diskutieren. Antworten, die
tragfähig sind, notwendige Erkenntnisse vermitteln und die Wahrheiten unseres
Lebens aufzeigen, finden sich nur im Wort Gottes. Bibellesung, Hören der
Predigten oder Bibelrunden sind Angebote, die Christen in einer Zeit weit
verbreiteter Verunsicherungen und leerem Geschwätz über Glaubensfragen dringend
benötigen, wollen sie sich nicht religiös verirren.
„Wer ist mein Nächster?“
Der Aufruf der Schrift zu Gottes-
und Nächstenliebe provoziert eine neue Frage. Jesus beantwortet sie mit einer
Gleichniserzählung.
Auch uns stellt sich die Frage,
wem sollen wir beistehen? Gibt es nicht auch den Missbrauch der Wohltätigkeit?
Den Angehörigen, den Mitbürgern oder den schuldlos ins Elend Geratenen will man
ja helfen. Gibt es nicht auch die Überforderung angesichts des Elends, das
selbstverschuldet oder von gewissenlosen Machthabern verursacht ist?
„Dann geh und handle genauso!“
Nachdem Jesus das Gleichnis von
dem barmherzigen Mann aus Samarien erzählt hatte, erkennt der Frager und auch
der Leser der Bibel heute, dass Liebe jedem gebührt, der in Not ist. Es zählen
dabei nicht die Volkszugehörigkeit, nicht der Familienverband, nicht die religiöse
Einstellung, es zählt allein der Mensch in Not. Somit wird die Antwort auf die
Frage, wer denn mein Nächster sei, klar beantwortet.
Dazu kommt für uns alle die
Aufforderung, die hilfsbereite Liebe jedem Mitmenschen zu gewähren, der uns in
seiner Notlage nahe kommt. Wir können nicht die Übel der ganzen Welt
beseitigen. Wir können dort eingreifen, wo uns die Not begegnet, sei es in der
eigenen Umgebung oder aufgrund von Nachrichten über konkrete Not in diversen
Katastrophenländern. Entscheidend ist auch nicht die Frage: Wird unsere Hilfe
vielleicht missbraucht? Manche fragen so lange und immer wieder und kommen so
nie zum Hilfseinsatz. Vielleicht braucht der wohltätige Christ die
Barmherzigkeit mehr als der Hilfsbedürftige. Er wird durch die tätige Liebe selbst
verwandelt und erfährt die innere Freude dessen, der nicht an seinem Besitz
klebt und frei wird durch wohltätiges Tun.
Das wunderbare Gleichnis
enthält auch eine Warnung an die „Gerechten“, die über ihrem Dienst am Altar
und über ihren religiösen Verpflichtungen auf Mitgefühl und Barmherzigkeit
vergessen. Die Liebe zu Gott ist nicht von der Liebe zu den Menschen zu trennen. (merli@utanet.at
*
16. Sonntag im Jahreskreis
21. 7. 2019
Lk 10, 38-42
38Sie zogen zusammen
weiter, und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.
39Sie hatte eine
Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte
seinen Worten zu.
40Marta aber war ganz
davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr,
kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein
überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
41Der Herr antwortete:
Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42Aber nur eines ist
notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
Gedanken zum Evangelium
Jesu Besuch bei den Schwestern
seines Freundes Lazarus kann verglichen werden mit den Berichten über die
Abweisung Jesu durch die Bewohner eines samaritischen Ortes und mit der
Einladung des Zöllners Zachäus. Hier bei diesen Schwestern Marta und Maria
dürfte Jesus schon öfter gern gesehener Gast gewesen sein. Er befindet sich
nach wie vor auf dem Weg nach Jerusalem. Die Szene lädt zum Nachdenken ein.
„...eine
Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.“
Es ist bemerkenswert, dass hier die Frau als
Gastgeberin aufscheint und nicht ihr Bruder Lazarus. Wieder kann man die
unkonventionelle Denkweise Jesu erkennen, die Lukas nachzeichnet. Jesus setzt
sich bedenkenlos über althergebrachte patriarchalische Vorgaben hinweg. Er
kehrt bei einer Frau ein. Er ist souverän und nicht ängstlich an überholte
Konventionen gebunden.
Jesus ist gekommen, den Menschen Freiheit und
Freude zu bringen. Die zu ihm Gehörenden sollen von Ängsten befreit leben, sich
nicht nach überholten Normen richten müssen oder von Tratsch und Misstrauen
irritieren lassen. Entscheidend ist allerdings, dass sie ihren christlichen
Lebensweg in der Gesinnung Jesu selbstlos liebend und tadellos gehen wollen.
„Herr,
kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt?“
Auch heute gibt es das Problem des scheinbaren
Gegensatzes zwischen religiösem Leben und der notwendigen Arbeit. „Ich komme
wegen der Betreuung meiner Gäste oder weil ich als Berufstätige am Sonntag die
Hausarbeit verrichten muss nicht zum Gottesdienst.“ Diese oder ähnliche
Entschuldigungen kann man nicht selten hören.
Soll religiöses Leben auf Kosten der Familie oder
der Betreuung von Kranken den Vorzug haben? Sind das gemütliche gemeinsame Frühstück
und die bequeme Vormittagsgestaltung beim Grillen im Garten wichtiger als die
Gemeinschaft der Glaubenden? Darf man das eine gegen das andere ausspielen?
Müsste nicht eher ein „sowohl - als auch“ gelten? Die treu beim Gottesdienst
Anwesenden beweisen, dass dies möglich ist.
„Maria hat
das Bessere erwählt.“
Maria hörte seinen Worten zu. Es kommt uns Jesu
Ausspruch in den Sinn: „Selig, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“
Die Arbeit steht nicht im Gegensatz zum Hören des
Wortes. Aber der Wert täglicher Notwendigkeiten ist von den Worten Jesu her zu
beleuchten und zu gewichten. Sie geben dem Arbeiten und Mühen ihren Sinn. Alles
Getue und Gerenne der modernen Lebensgestaltung ist nicht selten innerer Leerlauf
und bewirkt Freudlosigkeit in den Herzen.
Der Christ wird sich Zeiten der Besinnung und des
Ruhigwerdens reservieren. Vernünftige Gäste verstehen, dass Gläubige ihren
Gottesdienst besuchen. Sie gehen vielleicht sogar mit. Auch nichtreligiöse
Familienmitglieder können, wenn sie redlich sind, der Treue im religiösen Leben
ihrer Angehörigen Respekt abgewinnen.
Christen brauchen keine Angsthasen zu sein, auch
nicht, wenn sie einmal wegen notwendiger Krankenpflege den Gottesdienst
versäumen müssen. Auf keinen Fall sollen sie aber leichtfertig das Wort Gottes
vernachlässigen, die Wegweisungen Jesu beiseite schieben, um ihren Arbeiten
oder gar Vergnügungen nachzugehen. Dies würde früher oder später in die
Glaubens- und Sinnlosigkeit führen.
Wer das Wort
Gottes als Wegweisung bewertet und sich daher ernste Gedanken über das heutige
Sonntagsevangelium machen will, kann am besten so vorgehen: Zuerst den Text
lesen, dann das eigene Leben anhand der einzelnen Sätze und Aussagen überprüfen
und schließlich einige Vorsätze fassen, um den Einsichten auch im täglichen
Handeln Raum zu geben. (merli@utanet.at)