24. Sonntag im Jahreskreis
Mk 8, 27-35
27Jesus ging mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Unterwegs fragte er die Jünger: Für wen halten mich die Menschen?
28Sie sagten zu ihm: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen von den Propheten.
29Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias!
30Doch er verbot ihnen, mit jemandem über ihn zu sprechen.
31Dann begann er, sie darüber zu belehren, der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.
32Und er redete ganz offen darüber. Da nahm ihn Petrus beiseite und machte ihm Vorwürfe.
33Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.
34Er rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.
Gedanken zum Evangelium
Auch wir könnten überlegen: Für wen halten die heutigen Menschen Jesus?
Wie schaut es in unserer Umgebung aus? Wahrscheinlich würden wir auf diese Frage keine eindeutige Antwort bekommen. Doch aus dem Leben unserer Mitmenschen kann man schließen, was sie von Jesus halten. Die einen denken, er sei ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit gewesen, andere halten ihn für einen vor zweitausend Jahren lebenden heiligen Mann, wieder andere sehen in ihm ein Vorbild menschlichen Zusammenlebens oder auch einen weisen Lehrer. Andere stellen ihn in die Reihe antiker Wundertäter. Doch es erhebt sich die Frage: Wer ist Jesus wirklich?
„Für wen haltet ihr mich?“
Christen sollten auf diese Frage eine ausreichende Antwort wissen. Es täte uns gut, in unser Inneres hineinzuhorchen, um zu sehen, was wir wirklich von Jesus halten.
Es ergeben sich Fragen: Ist Jesus für uns auch nur ein weiser Lehrer, ein Wundertäter oder ein heiliger Mensch? Pflegen wir überhaupt einen persönlichen Kontakt mit ihm? Denken wir an ihn als eine heute lebende Person? Ist er vielleicht auch für uns mehr eine Gestalt der Vergangenheit, die uns gute Wegweisungen gegeben hat und Vorbild des Lebens sein kann?
„Du bist der Messias!“
Petrus bekennt sich zu Jesus. Aber auch seine Ansicht ist von der damaligen Vorstellung über den kommenden Messias beeinflusst. Man erwartete sich einen politischen Befreier, einen, der die Besatzungsmacht vertreibt und ein neues Reich aufrichtet, wie es die Propheten und die Psalmen angekündigt hatten. Jesus verbot, darüber zu reden, da solche Ansichten ja von den Römern als Aufruhr angesehen werden konnten. Er will keine falsche Messiashoffnung unterstützen.
„Der Menschensohn ...werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen.“
Jesus ist offenbar nicht der Revolutionär, der kommende weltliche Herrscher über Israel und damit auch über die Welt. Er werde sogar leiden und sterben, sagt er den verständnislosen Jüngern.
Das kann Petrus nicht begreifen und will Jesus vor einem solchen Schicksal bewahren. Doch Jesus weist ihn mit harten Worten zurecht, weil dieser ihn von seiner Aufgabe abbringen will. Jesus ist gekommen, um in Liebe und Gehorsam sein menschliches Leben, sein Todesschicksal eingeschlossen, aus der Hand Gottes anzunehmen, um so an Stelle derer zu stehen, die sich ihm im Glauben anschließen, zu ihm bekennen, mit einem Wort an ihn glauben. Die Jünger überhören das Wort über seine Auferstehung.
Für wen halten wir Jesus?
Ist er für uns der Sohn Gottes? Ist für uns in Jesus Gott bei uns Menschen als Befreier und Erlöser? Halten wir die Beziehung zu diesem Jesus und den Glauben an ihn für die wichtigste Entscheidung, von der Sinn und Zukunft unseres Lebens abhängen? Setzen wir auf diesen Jesus, weil wir hoffen, durch ihn Rettung aus allen Tiefen unseres Lebens erwarten zu können, letztlich die beseligende Hineinnahme in das reiche Leben des Dreifaltigen Gottes? Kann man an unserem Leben ersehen, dass wir auf diese Zukunft mit Jesus bauen? Geht es uns im Alltag um vielerlei und daneben halt auch um Jesus oder ist er die Mitte unseres Denkens, Handelns und Lebens? Die Fragen harren einer Antwort.
Es gilt, eine Entscheidung für Jesus Christus zu treffen. Es ist erforderlich, auf die Frage Jesu zu antworten: Für wen haltet ihr mich?
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25. Sonntag im Jahreskreis
Mk 9, 30-37
30Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr;
31denn er wollte seine Jünger über etwas belehren. Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.
32Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen.
33Sie kamen nach Kafarnaum. Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?
34Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer (von ihnen) der Größte sei.
35Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.
36Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen:
37Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.
Gedanken zum Evangelium
Jesus kündigt seinen Tod und seine Auferstehung an.
Die Apostel haben für solche Worte kein Ohr. Sie können mit derartigen Aussagen nichts anfangen. Sie fragen nicht einmal. Unangenehmes wird weggeschoben, bleibt unbeachtet.
So geht es auch den Christen zu allen Zeiten. Viele sind auch heute versucht, Wahrheiten, die sie nicht freuen oder die sie nicht verstehen, aus ihrem Denken auszuklammern. Sie beschäftigen sich nicht mit schwierigen Problemen des Glaubens und sind mit oberflächlichen Antworten zufrieden. Sie vertiefen sich nicht in theologische Wahrheiten, die wichtig sind und im Zentrum des Glaubens stehen und befassen sich eher mit Randthemen, die in den Zeitungen ausgebreitet werden. Man bleibt vielfach aus Bequemlichkeit an der Oberfläche, scheut anstrengende Diskussionen und meidet anspruchsvolle Vorträge, die in die Tiefe führen.
Wir können uns prüfen: Sind nicht auch wir selbst mit einem oberflächlichen Glauben zufrieden? Meinen wir nicht auch gelegentlich, dass die Fragen eines vertieften Glaubens nicht so wichtig seien? Halten wir es nicht auch für eine Zeitverschwendung, zu Vorträgen zu gehen, Artikel zu lesen, an Diskussionsrunden teilzunehmen, die sich mit dem christlichen Glauben beschäftigen? Sind uns nicht Veranstaltungen mit Unterhaltungswert wichtiger als Weiterbildung zu einem reifen und informierten Christentum?
Die Jünger reden miteinander über Ansehen und Geltung.
Sie fühlen, dass diese ihre Anliegen vor den Augen Jesu nicht bestehen können. Sie schweigen deshalb auf seine Frage, worüber sie unterwegs geredet hatten.
Nicht nur Heiden oder Gottlose, sondern auch Christen messen ihrem Ansehen und ihrer Würde bis zum heutigen Tag allzu große Bedeutung bei.
Dagegen steht die Lehre Jesu, die er den Jüngern und uns allen erteilt. Er rügt sie nicht unwirsch vor den Menschen. Er belehrt sie nicht in der Öffentlichkeit, sondern rücksichtsvoll, als er mit ihnen allein ist. Seine Lehre und seine Gesinnung liegen nicht auf der Linie der menschlichen Gepflogenheiten.
Es gab damals und es gibt auch heute eine genaue Rangordnung in der Familie und im öffentlichen Leben. Die Lehre Jesu ist klar:
„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.“
Jesus stellt die Rangordnung auf den Kopf. Wir sind aufgefordert, jene in die Mitte unserer Pfarrgemeinden, unserer Fürsorge, unserer Liebe zu stellen, die am Rande stehen, sich verloren vorkommen und vereinsamt sind. Wir sind aufgerufen, uns selbst zurückzunehmen, uns für andere einzusetzen, sie nicht zu beherrschen, sondern ihnen zu dienen.
Jesus stellt ein Kind in die Mitte.
Kinder hatten keine Rechte. Sie waren ganz auf die Eltern angewiesen. Kinder sind hilflos; sie können, wenn sie nicht schon von Erwachsenen verdorben worden sind, nur aufrichtig sein. Sie heucheln nicht. Wenn ihnen zum Weinen ist, dann weinen sie, wenn ihnen zum Lachen ist, dann lachen sie. Ihre Augen strahlen, wenn sie ergriffen sind. Sie vertrauen ihren Eltern und kennen, bevor sie anderes sehen, keine Heuchelei und Hinterlist. Wir sagen, sie sind unschuldig. Daher ist das Beispiel eines Kindes für alle heilsam. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht ins Himmelreich eingehen“, sagt Jesus.
„Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“
Wenn dies auch nicht vorrangig im Text enthalten ist, können wir doch auch an den Segen denken, den Kinder bedeuten. In der gegenwärtigen Diskussion über Nachwuchsförderung ist auch der Aspekt zu bedenken, dass der Entschluss, Kindern das Leben zu schenken, eine über wirtschaftliche Kalkulation und materielle Lebenssicht weit hinausgehende Dimension hat. Wer Kinder aufnimmt, der nimmt damit auch letztlich Gott selbst auf. Gott steht auf der Seite der Kinder und derer, die Kindern das Leben schenken und nicht gleich nach den Lasten fragen. Nicht umsonst spricht man vom Kindersegen. Kinder sollen nicht als Belastung empfunden werden, sondern als Bringer von Freude, Glück und Segen.
Kindern das Leben zu schenken und sie mit Liebe und Geduld zu erziehen, ist einer der bedeutendsten Werte im Leben des Einzelnen und der Gesellschaft.
Bei unseren Erntedankfesten sollten wir auch einmal für unsere Kinder danken und für alle beten, die sich der Kinder liebend annehmen.
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26. Sonntag im Jahreskreis
Mk 9, 38-43.45.47-48
38Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.
39Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden.
40Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
41Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört - amen, ich sage euch: er wird nicht um seinen Lohn kommen.
42Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
43Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer.
44/45Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden.
46/47Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden,
48wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
Gedanken zum Evangelium
Die Apostel suchen zu verhindern, dass jemand, der nicht zu ihnen gehört, im Namen Jesu Dämonen austreibt.
Es kommt auch in christlichen Gemeinden vor, dass sich eine interne Clique bildet, zu der Außenstehende nur mehr schwer Zugang haben. Die Getreuen sind sozusagen unter sich zufrieden und merken nicht, wie sie sich von den anderen absondern. Sie beten vielleicht miteinander, feiern ihre Festtage, kommen zu gemütlichen Runden zusammen oder machen miteinander Ausflüge. Außenstehende wagen sich kaum in ihre Nähe und kommen sich wie „Gottes zweite Garnitur“ vor. Dagegen muss eine Pastoral im Sinne Jesu darauf achten, dass sich die Mitarbeiter nicht selbst isolieren oder zum „Seniorenklub“ werden. Immer wieder ist es notwendig, nach Neuen Ausschau zu halten, auch die Jüngeren zur Mitarbeit einzuladen und im Pfarrleben einen Sonderstatus für die Alteingesessenen zu vermeiden.
Wir sollen alle achten, die als anständige Menschen in irgendeiner Form daran interessiert sind, Dämonen aller Art zu verbannen. Jesus sagt es auch uns: Hindert sie nicht, wenn sie im Sinne Gottes das Gute fördern und durch ihr aufrechtes Beispiel gute Wege weisen.
Jesus verheißt denen Lohn, die den Christen Gutes tun, ihre Anliegen unterstützen, auch wenn sie sich selbst noch nicht ausdrücklich zu Jesus bekennen.
In jeder Christengemeinde gibt es Menschen, deren religiöse Praxis nicht optimal ist, die sich am pfarrlichen Leben nur mangelhaft beteiligen, aber das Geschehen mit Wohlwollen verfolgen, mit freigebigen Spenden unterstützen und auch in Notfällen einspringen, wenn etwas zu erledigen ist. Manchmal tragen sie die Sehnsucht nach intensivem religiösem Leben in sich, bringen aber eine Änderung vorläufig nicht zusammen. Sie bezeichnen sich auch gelegentlich scherzhaft selbst als „schwarze Schafe“.
Wir sollten auch das Bemühen derer schätzen, die sich am Geschehen in einer Pfarre nur gelegentlich beteiligen und ihnen zugestehen, eine Zeitlang am Rande mitgehen zu dürfen, ohne sich gleich als Ausgestoßene fühlen zu müssen. Wir sollen dankbar sein, dass sie uns manchmal „einen Becher frischen Wassers“ reichen.
Ganz anders ist die Situation derer, die andere vom Glauben und von guten Wegen abbringen.
Verführern zum Bösen, zur Gottlosigkeit und zur Sittenlosigkeit droht Jesus mit schwersten Strafen. Viele nehmen ihre Verantwortung leicht, denken gar nicht daran, was sie mit Worten und durch ihr schlechtes Beispiel anrichten. Sie leben leichtsinnig dahin und ziehen Menschen von Gott weg. Sie setzen zu den Gottesdienstzeiten Vereinsveranstaltungen an, weil sie am Sonntagnachmittag frei haben wollen, sie reden großmäulig schlecht über Priester, Kirche und Religion. Sie sind stets als falsche Propheten unterwegs, die Menschen zu einem leichtfertigen, gottfernen Leben animieren.
Die Worte Jesu sind eine sehr ernste Warnung an solche Verführer jeder Art und auch an uns, nicht ihr Leben nachzuahmen und mit ihnen ins Verderben zu gehen.
Zuletzt ermahnt uns Jesus, unsere Berufung zum ewigen Leben als unser letztes Ziel nicht zu verspielen.
Wenn uns auch manches so kostbar erscheinen mag wie gesunde Hände und Füße oder gar das Augenlicht, aber von unserem letzten Ziel abbringt, müssen wir es, auch wenn es schmerzt, meiden und darauf verzichten. Alles mitzumachen, alles genießen zu wollen, nichts als verboten anzusehen, kann nicht des Christen Weg sein.
Es geht um die wahre Zukunft, die letzte Vollendung, um den Sinn unseres Lebens. Es geht um unsere Berufung durch Gott zum Leben in Fülle und um letzte Glückseligkeit. Die Worte Jesu zeigen die Gefahr und Möglichkeit auf, sein Lebensziel zu verlieren und in der Sinnlosigkeit zu versinken.
Doch auch harte Worte sind Frohbotschaft, weil sie als Warnung vor Irrwegen schützen und uns Wege zur Freude und zur Vollendung weisen.
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27. Sonntag im Jahreskreis
Mk 10, 2-16
2Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen.
3Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben?
4Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und (die Frau) aus der Ehe zu entlassen.
5Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben.
6Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen.
7Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen,
8und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins.
9Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
10Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
11Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch.
12Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.
13Da brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflegte. Die Jünger aber wiesen die Leute schroff ab.
14Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.
15Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
16Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.
Gedanken zum Evangelium
Wenn über den christlichen Glauben diskutiert wird, kommen unweigerlich auch folgende Themen zur Sprache: Ehescheidung, Wiederverheiratung, Zulassung zur Kommunion.
Da es schon viele Geschiedene und Wiederverheiratete gibt, ist das Interesse an diesen Fragen verständlich. Schauen wir zuerst auf die Lehre der Kirche über die Ehe. Was entspricht der menschlichen Natur? Wie steht es im kirchlichen Gesetz? Was lehrt die katholische Kirche über die Ehe?
Die Antwort lautet kurz zusammengefasst: Die Ehe ist eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau (Einehe), sie ist unauflöslich und unter Christen ein Sakrament, das die Eheleute einander spenden. Dabei besteht für Katholiken die kirchliche Formvorschrift, die Ehe vor dem zuständigen Priester oder Diakon und vor zwei Zeugen zu schließen. Von dieser Formvorschrift kann die Kirche dispensieren.
Ist die Ehe aus irgendeinem Grund ungültig geschlossen worden, kann diese in einem kirchlichen Gerichtsverfahren für ungültig erklärt werden (Ungültigkeitserklärung, nicht Scheidung). - Soweit eine kurze und bruchstückhafte Zusammenfassung über Wesen und Normen der christlichen Ehe.
Woher nimmt sich die Kirche das Recht, über die Ehe zu bestimmen und dazu Vorschriften zu erlassen?
Ganz abgesehen von den negativen Folgen von Scheidungen für die Gesellschaft und vor allem für die Kinder hat die Kirche für ihr Festhalten an ihren Ehenormen einen entscheidenden Grund: Sie führt ihre Pflicht, die Einheit, Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe zu schützen auf Jesu Weisungen zurück. Im heutigen Evangelium hören wir einige dieser Worte.
Bei den Juden gab es die Ehescheidung, das heißt die Entlassung der Frau. Manche Religionsgelehrte waren dabei sehr streng, andere lax.
Jesus lässt sich auf irgendwelche menschliche Vorschriften gar nicht ein. Er weist auf Gottes Plan in der Schöpfung zurück und stellt unzweideutig fest:
1. Gottes Wille ist es, dass die Menschen in Liebe unauflöslich verbunden bleiben, wenn sie ein gemeinsames Eheleben begonnen haben.
2. Ehescheidungsregeln, die von Menschen ausgedacht wurden, sind in der Welt des Versagens und der Hartherzigkeit begründet und sollen im Reich Gottes, in der neuen Zeit der Liebe und Gnade keine Geltung haben.
3. Die Frau oder den Mann aus der Ehe zu entlassen, ist gegen die Liebe, zu der Eheleute befähigt und verpflichtet sind.
4. Ehebruch begeht, wer nach der Scheidung einer gültig geschlossenen Ehe eine neue Ehe eingeht.
Die Lehre scheint also eindeutig. Was sollen wir aber tun angesichts so vieler, deren Liebe und Ehe zerbrochen ist? Die Kirche versucht, mit Verständnis und Mitgefühl gute Wege aufzuzeigen:
1. Wer in seiner Ehe gescheitert ist, soll nicht sein ganzes Leben als gescheitert ansehen.
2. Wenn auch die erste Ehe weiter besteht und daher die Zweitehe nicht als legal betrachtet werden darf, kann diese aber doch zur Verpflichtung werden, in Liebe und Treue zu leben. Manchmal sind auch schon Kinder aus dieser zweiten Ehe da. Eine solche Gemeinschaft kann von großer Verantwortung getragen sein und nicht ohne neues Unrecht wieder aufgegeben werden.
3. Der Christ, dessen Liebe gescheitert ist, soll dennoch mit seiner kirchlichen Gemeinschaft leben, auch wenn er gewöhnlich nicht an allen Gaben des Glaubens Anteil erhält.
4. Er soll auch, soweit es möglich ist, in seiner Pfarre mitarbeiten. Er wird sicher nicht verurteilt oder an den Rand gedrängt sein.
5. Der wiederverheiratete Geschiedene könnte sagen: Ich bin an der Scheidung nicht schuld. Sicher sind manche einfach alleingelassen worden und haben in keiner Weise das Scheitern ihrer Ehe verschuldet. Wer kann das beurteilen? Gott kennt die Schuld, den Schmerz und auch das vergebliche Bemühen um den Fortbestand der Ehe. Er wird aber auch denen vergeben, die sich ihm in ihrem Leid oder in ihrer Schuld anvertrauen.
Wer in dieser Situation lebt, kann sich auch an einen Priester wenden und mit ihm seine Probleme besprechen.
In diesem Zusammenhang müsste man auch über die kostbare Gabe der Liebe, die sich in der Ehe entfaltet und Menschen beglückt, nachdenken, auch über ihre Erneuerung durch Vergebung. Ebenso sollen die Freude und der Segen, die in einer Familie mit Kindern erlebt werden können, nicht unerwähnt sein. Jesu Liebe zu den Kindern wird am Ende dieses Abschnittes im heutigen Evangelium deutlich.
Wer im Sinne Jesu leben will, der wird sich auf eine gute Ehe vorbereiten, einen Partner suchen, mit dem eine Ehe auf Dauer aussichtsreich erscheint. Er wird nicht leichtsinnig und unüberlegt heiraten und nach einer Entscheidung alles meiden, was die Liebe gefährden kann und verantwortungsbewusst und selbstlos seiner Familie dienen. Er wird in Krisen um ihren Bestand kämpfen und seine Ehe und Familie in einem christlichen Leben immer wieder unter den Beistand Gottes stellen.
Uns Christen sind unsere Ehen und Familien, besonders auch die Kinder immer als beglückendes Geschenk, aber auch als heiliger Auftrag anvertraut.
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28. Sonntag im Jahreskreis
Mk 10, 17-30
17Als sich Jesus wieder auf den Weg machte, lief ein Mann auf ihn zu, fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
18Jesus antwortete: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen.
19Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!
20Er erwiderte ihm: Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt.
21Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
22Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein großes Vermögen.
23Da sah Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
24Die Jünger waren über seine Worte bestürzt. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Meine Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
25Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.
26Sie aber erschraken noch mehr und sagten zueinander: Wer kann dann noch gerettet werden?
27Jesus sah sie an und sagte: Für Menschen ist das unmöglich, aber nicht für Gott; denn für Gott ist alles möglich.
28Da sagte Petrus zu ihm: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.
29Jesus antwortete: Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat,
30wird das Hundertfache dafür empfangen: Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser, Brüder, Schwestern, Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben.
Gedanken zum Evangelium
Dieses Evangelium macht uns zu schaffen. Unser Gewissen lässt sich nicht so leicht beruhigen. Fast reflexartig suchen wir nach Erklärungen, warum wir nicht auf Besitz und Reichtum verzichten können: Es kann ja nicht jeder besitzlos leben. Wir gehören ja ohnehin nicht zu den Reichen. Wir tun ja doch viel Gutes für die Armen. Wir ertappen uns bei solchen und ähnlichen Überlegungen. Müssen wir ein schlechtes Gewissen haben?
Bedenken wir den Bericht im Evangelium und die Worte Jesu ganz ruhig und unvoreingenommen.
Der reiche Jüngling lebt vorbildlich nach dem Willen Gottes.
Reichtum bedeutet nicht automatisch Gottferne, liederliches Leben und Missachtung der Gebote Gottes. Auch der Reiche kann und soll die Gebote achten, ein religiöses Leben führen und seine Beziehung zu Gott und zur Christengemeinde ernst nehmen. Alle Reichen als gottlos zu bezeichnen, wäre lieblos und ungerecht.
Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?
Es geht dem Jüngling nicht bloß um diesseitige Werte. Er spürt offenbar die Leere, die vergängliche Güter in seiner Seele zurücklassen. Er sehnt sich nach letztem Heil und letzter Freude.
Wie schaut es bei uns Christen aus? Häufig findet man die geäußerte oder doch im Geheimen vorhandene Ansicht, dass es eigentlich so bleiben könnte wie es ist. Viele würden auf das ewige Leben verzichten, weil es ihnen ja gut geht und sie sich glücklich fühlen.
Diese Sicht greift zu kurz. Wie lange geht es denn weiter mit dem „schönen Leben“? Wie oft kommt unerwartet eine ganz neue Lebenssituation.
Es geht aber auch um unsere letzte Berufung. Wir sind auf Dauer angelegt, nicht auf das Vergehen nach einigen Jahrzehnten. Wir sind zur Fülle des Lebens durch Gott bestimmt. Wir können nicht aus der Weltgeschichte entschwinden. Wir haben eine Zukunft, in die hinein wir gerettet werden müssen, wenn unser Leben Sinn haben soll.
Es gibt nur das ewige Leben der Vollendung bei Gott oder die letzte Sinnlosigkeit. Daher ist auch für uns die Frage brennend aktuell: Wie kann ich das ewige Leben gewinnen?
Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe alles, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!
Manche sind zu dieser vollkommenen Nachfolge berufen. Sie verzichten auf persönlichen Besitz, sie unterwerfen sich einer Lebensform der Nähe zu Gott, sie werden in dieser Welt zum Zeichen des Ewigen.
Aber auch die Christen in der Welt sind zu einem Leben berufen, das ein Hinweis sein kann auf das kommende und entscheidende Lebensziel. Wer so diesseitig lebt, als gäbe es den Himmel nicht, der befindet sich nicht auf einem christlichen Weg und überhört den Ruf Jesu, ihm zu folgen. Wir sollten wieder unser tägliches Leben, den Stellenwert unseres Arbeitens, Sorgens, Strebens und Feierns überprüfen und uns neu an Jesu Wort orientieren. Vielleicht würden manche Ängste geringer und unser Leben gelassener und freier. Der Christ wird Vergängliches nicht überbewerten und seinen Blick nicht ausschließlich auf die Güter dieser Erde richten.
Wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen!
Der Jüngling geht traurig weg. Diesen Verzicht kann er sich nicht vorstellen. Reichtum bringt Sorgen und hindert daran, die Beziehung zu Gott entsprechend zu pflegen. Nichts haben ist ein ruhiges Leben, sagt ein Sprichwort des Volkes.
Reichtum ist nicht an sich schlecht, kann aber zum Hindernis dafür werden, sein Denken zu Gott zu erheben, ihn zu ehren, die Beziehung zu ihm zu pflegen und das letzte Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren. Der Erwerb von vergänglichen Werten kann den Blick auf Wesentliches wie Glaube, Nächstenliebe, Fürsorge, Güte, Mitmenschlichkeit und geistige Güter verdunkeln.
Weisen wir unserem Reichtum den Platz zu, der ihm gebührt und vor Gott richtig ist: Vergängliches darf bei uns nicht als höchster und letzter Wert angesehen werden, Diesseitiges nicht über das gestellt werden, was uns zu Gott führt.
Für Gott ist alles möglich.
Viele sind so in die scheinbaren Notwendigkeiten verstrickt, dass es unmöglich scheint, sich daraus zu befreien. Der Christ kann aber auf Gott vertrauen, sein Erbarmen erhoffen und auch in den Sorgen um das Irdische zuversichtlich bleiben. Wer sich in dem Bewusstsein, hilfsbedürftig und schwach zu sein, an Gott wendet, kann von den Wunden seines Herzens, die diesseitiges Streben schlägt, geheilt und gerettet werden.
Die frohe Botschaft des Sonntags soll uns Wohlhabende zur Besinnung führen. Jesu Worte können unsere Lebenssicht korrigieren, aber auch in unseren Verirrungen und diesseitigen Verstrickungen Zuversicht geben.