Dienstag, 18. Januar 2022

 

4. Sonntag im Jahreskreis

30. 1. 2022 

Lk 4, 21-30

In jener Zeit

21begann Jesus in der Synagoge in Nazaret darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

22Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete, und sagten: Ist das nicht der Sohn Josefs?

23Da entgegnete er ihnen: Sicher werdet ihr mir das Sprichwort vorhalten: Arzt, heile dich selbst! Wenn du in Kafarnaum so große Dinge getan hast, wie wir gehört haben, dann tu sie auch hier in deiner Heimat!

24Und er setzte hinzu: Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt.

25Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam.

26Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon.

27Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman.

28Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut.

29Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen.

30Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.

 Gedanken zum Evangelium

 Heute hören wir die Fortsetzung des Evangeliums vom letzten Sonntag. Jesus liest aus der Bibelrolle und spricht dazu. Dass ein Gast in der Synagoge beim Gottesdienst eingeladen wurde, Worte aus der Heiligen Schrift zu lesen und dazu zu sprechen, war gängige Praxis. Es wäre interessant, einfachen Gläubigen in unseren christlichen Gottesdiensten diese Aufgabe zu übertragen.

 Jesu Verkündigung stützt sich auf das Wort Gottes in der Heiligen Schrift.

Jesus steht in der jüdischen Tradition, wenn er das anbrechende Reich Gottes verkündet. Sein Auftrag und seine Vollmacht sind durch das Wort Gottes legitimiert und stammen von Gott selbst.

Auch unser Glaube nährt sich aus der Bibel. Diese zu lesen, zu studieren und zur Lebensgrundlage zu machen, ist nicht nur Aufgabe der Prediger, sondern aller Christen, die in der Nachfolge Jesu stehen wollen. Das gemeinsame Lesen und Hinhören auf die Worte der Heiligen Schrift festigen den eigenen Glauben und auch den der anderen. Nichts führt die Menschen mehr zu Jesus und zueinander als die gemeinsame Beschäftigung mit der Heiligen Schrift. Nicht wenige finden durch das tägliche Lesen in der Bibel Wegweisung, Freude und Trost.

 Jesus ist der Heilbringer für alle Menschen.

Besonders bringt er das Heil den Kranken und gesellschaftlich Benachteiligten, den Armen und allen Hilfsbedürftigen, die bei den Menschen kein Ansehen genießen und vielfach vom Betteln leben müssen.

Auch uns Christen heute ist aufgetragen, den Verlassensten zur Seite zu stehen. Wir sind zur Hilfe an unseren Mitmenschen aufgerufen und verpflichtet. Eine enge Sicht der eigenen Religionsgemeinschaft, die nur auf die Glaubensbrüder und -schwestern achtet, entspricht nicht der Gesinnung Jesu und passt nicht zu seinen Jüngern. Die Herrschaft Gottes verträgt sich nicht mit Ausgrenzung, Unterdrückung, Verachtung oder Vernachlässigung der Mitmenschen. Wer betet: „Dein Reich komme“, sollte dies bedenken.

 Sie lehnen schließlich Jesus ab und vertreiben ihn.

Sie glauben, Jesus zu kennen. Sie haben sich ihre Vorstellung von ihm gemacht. Sie wollen über ihn verfügen. Jetzt entspricht er aber ihrer feststehenden Meinung und Erwartung nicht. Sie vertreiben ihn und bleiben in der Finsternis des Unglaubens. Sie erleben keine befreiende religiöse Weiterentwicklung.

Auch in der Kirchengeschichte bewegte man sich gelegentlich auf ähnlichen Wegen. Allzu oft hielt man stur an Althergebrachtem fest, verteidigte Normen und Gepflogenheiten auch mit Gewalt, hörte nicht hinreichend auf das Wort Gottes und verweigerte eine religiöse Erneuerung.

Auch im Leben des einzelnen Christen kennen wir solche Phänomene. Änderungen, neue Wege des Betens und Feierns, ungewohnte Versuche der Pastoral werden von ängstlichen selbsternannten Glaubenshütern verdächtigt oder auch verhindert. Dies geschieht nicht nur durch Fundamentalisten im Judentum oder im Islam, dies kann auch uns Christen betreffen. Neben der Hochachtung vor guten Traditionen gilt es auch Neues zu wagen, um das Reich Gottes in uns und in der Welt zu bauen.

 Die Verantwortlichen in einer Pfarrgemeinde sollten überlegen, ob nicht Rechthaberei, Ausgrenzungen, Verdächtigungen und Besserwisserei den Aufbau des Gottesreiches behindern. Vielleicht brauchen wir mehr Mut zu Ungewohntem, mehr Geduld mit den Andersdenkenden und in allem mehr Liebe untereinander. (merli@utanet.at)